Bücherwürmer

Mir ist es ein Rätsel, woher meine Hunde ihre Leidenschaft für Bücher haben. Ist es ein falsch verstandener „Will to please“, der sie antreibt, sich für meine Bücher zu interessieren? Oder geht ihre Identifikation mit mir (entsprechend dem Sprichwort „Wie der Herr, so’s G’scherr“) einfach zu weit?
Als meine Windsprite-Hündin Gretel elf, zwölf Wochen alt war, räumte sie sämtliche alten, pädagogisch wertvollen Kinderbücher aus den Regalen und fraß genüsslich die Ecken an. Anschließend widmete sie sich intensiv dem Buch „Hunde in Hollywood“, so dass ich eine Weile befürchtete, sie könnte auf die Idee kommen, ich solle in einem rosa Cadillac herumfahren wie seinerzeit Elvis Presley (der allerdings nichts mit Windhunden am Hut hatte, wie ich Gretel immer wieder eintrichterte; er liebte Doggen und Chow Chows). Meine weiße Galgo-Hündin Amali fraß kurz nach ihrer Ankunft eine Erstausgabe von Thomas Manns Herr und Hund“ und nur wenige Tage später Jean Paul Sartres „Wege der Freiheit“. Der heilige Nano fraß Bücher nie an, holte sie sich in jugendlichem Frohsinn aber aus den Regalen und bettete sein dunkelgraues Haupt auf Büchern von Virginia Wolf und Vita Sackville-West.

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Zumindest beweisen meine Hunde einen ausgewählten Geschmack, das steht fest.

Barthl, mein größenwahnsinniger Havaneser-Mischling, ein dunkelroter Dreikäsehoch mit strahlend weißem Latz und vier weißen Strümpfen, zeigte sich weniger intellektuell. Er fraß einfach alles, was ihm vor die bärtige Schnauze kam: Gedichte, Augentropfen, Handcremes, Zeitschriften, Rechnungen (wobei sich herausstellte: Die Aussage „Ich konnte nicht bezahlen, weil mein Hund die Rechnung gefressen hat“ wird einem als Erwachsener genauso wenig abgenommen wie als Kind, wenn einem das gleiche mit den Hausaufgaben passierte), Notizen, Hundebücher, Bildbände. Er trieb seine Zerstörung so weit, dass ich jedesmal, wenn ich ihn nicht hören konnte, los preschte, um zu retten, was zu retten war, indem ich es ihm aus dem Maul riss. Meine Brillen fand ich zu spät. Die zweite, die erst acht Tage alt war, nur noch in Form von Einzelteilen im Hundebett verteilt.

IMG_7880Nun haben wir einen Gasthund, Rapunzel (in Wirklichkeit heißt sie anders, aber das kann ich nicht aussprechen), ein weißes Barsoi-Kind, das mit seinen fünf Monaten schon fast so groß ist wie Aslan, der immerhin 70 cm misst.
Sie sieht aus wie eine Mischung aus Engel und Einhorn, eine flauschige weiße Wolke (wenn sie nicht gerade pechschwarze Füße hat, weil sie beim Nachbarn auf dem Misthaufen gespielt hat) mit einer sehr, sehr langen Nase. Diese Nase benutzt sie, um sie in meine Bücher zu stecken, wenn ihr langweilig ist.

Ich war ein wenig sprachlos über das, was ich da in Fetzen gerissen im Hundebett fand: IMG_7976Originalausgaben von Agatha Christie-Krimis aus den Vierzigern und Fünfzigern – und die Bibel.

Was macht man mit einem Junghund, der sich von Kindesbeinen an offensichtlich nur für Mord und Totschlag interessiert?

Da lobe ich mir doch den Labrador. Er ist das Gegenteil von einem Intellektuellen. Ein bisschen laut, aber bescheiden, durch und durch bodenständig und nur an wirklich Essbarem interessiert, egal, ob roh oder durchgegart. Er frisst die mehligen Äpfel, die ich nicht aufessen will, bei denen mich die Windhunde nur pikiert ansehenwürden, wenn ich sie ihnen anböte: „Moi? Bist du völlig verrückt?“ würden sie sagen, während sie den eleganten Kopf angewidert zur Seite drehen und sich in ihr Hundebett verziehen würden, um im Zweifelsfall noch ein wenig in meinen Büchern zu schmökern. Jack ist da ganz anders: Er frisst, was immer ich fallen lasse, grunzt zufrieden, und macht einen tiefen Verdauungsschlaf.

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