Collie-Fieber, die Zweite

Es ist ja nicht so, als hätte ich nichts zu tun. Z.B. schreibe ich gerade schon wieder das nächste Buch, und nebenbei habe ich ein Küken in der Hand ausgebrütet. Ehrlich! Unglaublich spannend und nicht zum Aushalten niedlich. Die Glucke hatte drei Küken persönlich ausgebrütet und fand offenbar, sie habe damit schon alle Hände voll zu tun – und ließ die anderen beiden Eier kalt werden. Als ich die allerdings entsorgen wollte, piepste das eine Ei… Was soll ich sagen. Wenn man nicht alles selber macht.

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Jedenfalls ergab es sich, dass ich aus  – na, wirklich miserablen Verhältnissen eine Colliehündin herausholte. Der Hund lebte unter schwierigen psychischen Verhältnissen, um es mal so zu sagen. Ich hatte sie in einer seltsam klingenden Anzeige entdeckt, bei der Kontaktaufnahme erwiesen sich die Besitzer als noch seltsamer, und  Karin Petra Freiling und ich hatten das dringende Bedürfnis, den Hund aus seinem seltsamen Zuhause herauszuholen. Die Besitzer wollten einen wirklich exorbitanten Preis für den Hund, der weder Impfausweis noch Papiere besaß und immerhin schon fünf Jahre alt war: 750 Euro (aber man kann es ja mal versuchen). Sie bekamen eine angemessen Schutzgebühr, weil Karin die Hündin unbedingt haben wollte, und ich gurkte pflichtbewußt quer durch Bayern, um den Hund abzuholen,  denn Karin selbst ist in Hawaii bei Linda Wellington-Jones und kann nur delegieren.

Das Haus war schmutzig und chaotisch, eine Katze lief mit völlig verklebten Augen herum, der Hund kläffte nervös, der Mann, der mir den Hund übergab, sah jung, aber heruntergekommen aus und hatte nur noch einen Teil seiner Zähne. Das Trockenfutter, dass er mir mitgab, musste ich selber zum Auto schleppen. Weiter bekam Sunny nichts mit, nur das Halsband, das sie trug. Kein Bett, keine Futternapf, keine Bürste, kein Spielzeug, keine Leine. Sie konnte nicht in mein Auto springen (zu schwer, zu untrainiert), auf meine Bitte hob der Mann sie hinein, und die ganze Fahrt lang saß sie schweigend hinten im Auto und sah nach hinten nach draußen.

Sunny ist fünf Jahre alt und mindestens viereinhalb Kilo zu schwer. Sie läuft nicht, sondern watschelt eher – was auch daran lag, dass sie unglaublich lange Krallen hatte und deshalb auf dem hinteren Ballen laufen musste. Ihr Fell war seltsam lockig, fast wie Kastraten-Fell, und hatte einen stumpfen Glanz. Insgesamt sah sie ungepflegt aus.

Da hatten wir ihn nun, den kläffenden Collie. Sunny ist unsicher, nimmt sich viel zu Herzen, kann Spannung nicht aushalten: Dann bellt sie. Und zwar nicht nur ein-, sondern viele Male, monotones Kläffen, das schwer auszuhalten ist (jedenfalls von mir, weil ich Kläffen hasse wie die Pest). Sie sei geimpft, leider habe man den Impfpass verloren, gechipt sei sich nicht, wozu auch, Papiere hatte sie sowieso nicht (ich ließ mir die Nummer des Tierarztes geben, der mir erklärte, er habe den Hund zum letzten Mal 2014 gesehen. Soviel zu „Hund ist geimpft“).

Angeblich würde sie ausschließlich Trockenfutter vertragen, weshalb man mir eine Tonne Lidl-Futter mitgegeben hatte (das mich allerdings so grauste, dass ich es unterwegs schon entsorgte). Meine Hunde machten sie natürlich nervös, aber irgendwie fand sie sie auch spannend. Mitrennen ging anfangs nicht so gut; sie hatte kaum Muskulatur.

Als erstes schnitt ich ihr die Krallen, damit sie wieder besser laufen konnte – so dass sie heute, acht Tage nach ihrer Ankunft, tatsächlich nicht mehr so stark durchtritt und viel besser geht. Ich erklärte ihr, dass man sich mich mit monotonem Dauerkläffen nicht zum Freund mache kann, und inzwischen ist sie wirklich deutlich schweigsamer.

In den ersten Nächten lasse ich alle fremden Hunde immer in unserem Schlafzimmer schlafen, bis sie sich sicherer fühlen. Collies scheinen Hundebetten mehr oder weniger abzulehnen – ihnen ist aufgrund des dichten Fells wohl einfach zu warm. Die erste Nacht verbrachte Sunny nervös hechelnd direkt vor meinem Bett und blies mir ihren schlachtriechenden Atem ins Gesicht. Sagen wir mal so: Es gab durchaus schon Nächte, die erholsamer waren.

Ich machte, was ich bei Neuankömmlingen immer tue, sofort eine Darmkur mit ihr, weil man dann schon mal ausschließen kann, dass Bauchgrummeln das allgemeine Sicherheitsgefühl stört. Und ab sofort bekam sie natürlich mein Futter, was sie bestens vertrug (von wegen, sie vertrüge nur Trockenfutter). Nach einer Woche riecht sie nun gut, und der vorher sehr stumpfe Glanz ihres Fells hat sich verändert – sie glänzt jetzt wunderbar: Erstaunlich, wie schnell das geht. Sie frisst mit Begeisterung Kokosöl, womit ich kleine Zahnfleischentzündungen bekämpfe, den Zahnstein habe ich ihr, so gut es ging abgerieben, den Rest schaffen hoffentlich die Braunalgen, die sie bekommt. Ein bisschen abgenommen hat sie auch schon, und das viele Spielen und Spazierengehen hat offenbar sehr schnell für Muskelaufbau gesorgt. Im Video sieht man sie am Tag ihrer Ankunft behäbig durch den Garten watscheln, während sie danach gestern und heute beim Herumtoben zu sehen ist –  sie flitzt, was das Zeug hält. Ihr Blick hat sich verändert, sie guckt entspannter und lacht viel mehr – wohl auch, weil sie hier genug Schlaf bekommt.

Es ist schon eine ganze Menge, was sie verarbeiten musste in dieser Woche: Die ganzen Hunde, der Platz, der viele Auslauf, das neue Futter, die Ruhe, die neuen Regeln… Dafür braucht ein Hund Schlaf.

Sie ist unglaublich sympathisch und sehr bemüht, und wenn sie erst richtig abgenommen und das Kläffen aus Gewohnheit und Unsicherheit abgestellt hat, wird sie ein wunderschöner Hund. Rapunzel findet sie doof, weil sie die Unruhe nicht leiden kann, die Sunny verbreitet, sobald irgendwo etwas Eßbares auftaucht, und Sunny spielt eben nicht so rasant, wie Rapunzel es gerne hätte. Dafür ist sie immer in meiner Nähe, verliert mich nie aus den Augen, und gehört zu den Hunden, die gar keine Leine brauchen. Sie ist sehr lieb zu den Hühnern und anderen Kleintieren (die von meinen anderen Hunden prinzipiell als Zwischenmahlzeit betrachtet werden, bis wir ernsthaft darüber gesprochen haben) und hat mit Katzen überhaupt kein Problem. Praktisch perfekt also. Wenn Karin nicht so verliebt in sie wäre, weil Sunny genau die gleiche Blesse hat wie ihr Sheltie, der vor drei Jahren mit 19 starb, könnte ich mir durchaus vorstellen, sie zu behalten…

Raum ist auch im kleinsten Arbeitszimmer

 

 

 

 

 

 

 

So ein Unglück, dass der Hund erst so eine Verwahrlosung erleben musste. Ein Paar, das so massive Probleme hatte (auch die im Haus anwesende Katze sah ziemlich krank aus, aber die sollte nicht ausgesiedelt werden), bis sie sich nicht mehr richtig um den Hund kümmern konnten. Sunny kann viele Tonarten nicht einschätzen, sobald die geringste Spannung entsteht, ist sie überfordert. Das könnte „Collie“ sein, aber im Zusammenhang mit ihrem Gesichtsausdruck und dem Schreck, denn sie bekommt, wenn man bestimmte Gesten macht, scheint mir eher, sie musste Dinge mitansehen, die sie nicht einordnen konnte. Das Leben ist nicht gerecht. Für Menschen nicht, und für Hunde und Kinder schon gar nicht. Aber das Tolle ist: Ihr Leben wird jetzt wunderbar.

 

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