Neues vom Miniberg

oder: Angeblich ist das Leben doch ein langer, ruhiger Fluss

Seminarwochenenden sind hier immer spannend. Spannend, weil die Themen interessant sind, spannend, weil Hunde mit den unterschiedlichsten „Hang-Ups“ hier her kommen, spannend, weil die Hundebesitzer, die zu Besuch sind, ausnahmslos interessant sind. Das letzte Wochenende zum Umgang mit ängstlichen, unsicheren Hunden war noch spannender, weil hier der Sturm tobte.

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Nicht nur der des Lebens, der hat bei mir ja irgendwie sein Ferienparadies gefunden, sondern ein richtiger. Freitagabend saßen wir lange im Garten in der friedlichen Nacht und beobachteten das Wetterleuchten, das weit entfernt immer wieder den Himmel aufleuchten ließ. Die Stadthunde, die zu besuch waren, kläfften jedes Mal erschüttert, wenn ein Vogel sich im Schlaf regte oder ein Apfel vom Baum fiel, aber ansonsten war der Abend warm, weich und irgendwie italienisch.

Irgendwann wurden wir müde und packten zusammen, die Gläser, die Hundekissen, die Tischdecke und was sonst noch so des nachts ins Haus gehört. Es wurde ein bisschen windig, sehr angenehm, weil es immer noch so heiß war – und plötzlich pfiff es um die Hausecken. Anfangs stand Aslan noch auf der Terrasse und ließ sich vom Wind das Haar zerwühlen (ich glaube, er träumt von einer Karriere als Top-Model), aber dann wurde ihm doch unheimlich. Schließlich blies es draußen so stark, dass Barthl wirklich ein paar Meter zur Seite flog, und dann wieder. Ich fing ihn ein, bevor ich dafür ein Schmetterlingsnetz gebraucht hätte.

Kurz darauf brach der Strom zusammen. Das hat ja was: Kerzenlicht in einem alten Bauernhaus, während draußen der Sturm pfeift. Dann funktionierte das Wasser nicht mehr. Das ist auch durchaus auszuhalten, nur wenn man am nächsten Tag zehn Seminargäste erwartet, die Kaffee brauchen, Hunger haben und aufs Klo müssen, wird man ein bisschen nervös.

Der Morgen brachte es an den Tag: Der Sturm hatte Bäume umgeworfen, ganze Dächer abgedeckt und Masten umgeworfen. Mein riesengroßer, schwerer Gartentisch war durch den Garten geflogen und zerbröselt, mein Sonnenschirm lag in der anderen Ecke des Gartens, einige Gartenlaternen waren geköpft. Der Strom- und Wasserausfall war schlimm für die Nachbarn: Auf dem einen Hof mussten 120 Milchkühe mit der Hand gemolken werden (wenigstens kann Rosi das noch; viele der jungen Bauern können gar nicht mehr melken), Wasser fürs Vieh gab es auch nicht. Bei Sepp hatte es den halben Heuschober abgedeckt, aber er hatte sowieso schlechte Laune, weil er keinen Kaffee trinken konnte.

Die Seminarteilnehmer waren dagegen allerbester Laune. Neben dem Klo stand ein Eimer mit Regenwasser, Kaffee wurde in Thermoskannen herangekarrt, und der Seminarraum sah sehr gemütlich aus im flackernden Licht der Kerzen.

Sowieso gab Barthl sich die allergrößte Mühe, dass alle sich wohl fühlten. Er ist wirklich die unerträglichste Rampensau und scheint zu glauben, nur weil er niedlich ist, könne er sich alles erlauben.

Kennenlern-Runde der Seminarteilnehmer. Und wer liegt im Zentrum?

Andererseits ist er tatsächlich sehr nützlich: Er nimmt den Seminarteilnehmern ihre Ängste, wickelt sie mit seinem Charme ein, nähert sich ihren Hunden vorsichtig und so fröhlich, dass selbst die hartgesottensten Hundefeinde und der den Hunden nachgiebig und kommunikativ werden. In den Pausen schmeisst er sich in den Hundepool und nimmt die Begeisterung der Zuschauer entgegen, als wäre es Applaus. Wenn man ihn ein – bzw. aussperrt, bekommt er einen Wutanfall und bellt wütend durchs Fenster (und das ist, Sie können wir glauben, kein schöner Klang – Barthls Stimme ist quietschig, schrill und gräßlich und kein Fall für den Knabenchor). Wenn man eine Tür öffnet, witscht er mit Lichtgeschwindigkeit durch den winzigsten Spalt, um ans Ziel zu gelangen. Er ist winzig und schneller als alle, was das Grenzensetzen massiv erschwert. Noch dazu fühlt er sich immerzu zu allem möglichen Schabernack ermutigt, weil sich ja alle Leute rauschend über ihn amüsieren.

Die anderen Hunde dagegen halten sich zurück. Harry findet das alles zwar gräßlich, aber mit fortschreitendem Alter findet er sowieso alles furchtbar, was seine Ruhe stört. Nano ist viel zu souverän, um sich überhaupt über irgendetwas aufzuregen und begrüßt die Seminarteilnehmer freundlich und lässig und bietet den anderen Hunden an, ihn ggfs. kennen zu lernen, drängt sich aber niemals auf. Gretel und Pixel lieben es, bei Übungen mitzumachen, vor allem bei denen, wenn die anderen Hunde bzw. ihre Besitzer lernen sollen, entgegenkommenden Hunden friedlich zu begegnen. Rapunzel findet nichts toller, als in den Pausen den Seminarraum auf heruntergefallene Fremd-Kekse zu überprüfen (der auch den ein- oder anderen Menschenkeks oder Gummibärchen vom Tisch – sie ist mittlerweile so groß, dass sie sozusagen automatisch den Kopf in jeder Salatschüssel hat). Und sogar Aslan nimmt es mittlerweile relativ gut hin, dass das Haus von Fremden und ihren Hunden belagert wird. Das mag auch daran liegen, dass er seine eigenen Groupies hat: Alle Hündinnen lieben Aslan. Sie huldigen ihm, sie liegen ihm zu Füßen und beben vor Glück, während sie sich immer weiter zwischen seine Vorderbeine trauen. Einmal Aslan berühren! Einmal von ihm bespielt und bespaßt werden! Aslan nimmt derlei mit lässigem Gähnen hin. Manchmal lässt er sich herab und spielt eine kleine Runde mit den Fans und galoppiert ganz entspannt auf seiner persönlichen Fanmeile, die aufgeregten Fräuleins hinter ihm her.

Am späten Nachmittag gegen halb sechs gingen Strom und Wasser wieder – und zwar natürlich gerade dann, als die Nachbarn sich alle mühsam Not-Aggregate und Sonderstecker besorgt hatten. Aber damit waren wir zurück im 21. Jahrhundert – wo Licht, Telefon, Kühlschrank, Geschirrspüler, heißer Kaffee und Klospülung eine herrliche Selbstverständlichkeit sind.

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