vom 20.11.2011
Als ich vor vielen Jahren mit einer ganz frischen kleinen Mopshündin auf der Straße stand, dreizehn Wochen alt, blieb ein älterer Herr mit einem eleganten Irischen Setter vor mir stehen, betrachtete das schwarze Hündchen, und meinte verwundert: Meine Güte: Der Hund ist ja so hässlich, dass er schon wieder gut ist!“ Kann man natürlich sagen, muss man aber nicht: Man würde ja auch hoffentlich darauf verzichten, zu einer Mutter mit einem weniger gelungenen Baby im Arm zu sage: Ach, naja, mit etwas Glück wird noch was draus!“
Es muss einmal gesagt werden: Hundebesitzer sind sehr empfindlich, was ihre Vierbeiner betrifft. Will sagen: Sie nehmen ihren Hund ausgesprochen persönlich, so, wie es auch jeder BMW-Fahrer auf der Autobahn persönlich nimmt, wenn es ihm nicht gelingt, alle andren Verkehrsteilnehmer mit 220 km/h von der linken Spur zu fegen. Wenn man z. B. sanft andeutet, der Hund sei möglicherweise ein wenig zu rundlich, löst das das Gleiche aus, als wenn die eigene Mutter beiläufig sagt, Du hast ein bisschen zugenommen, stimmt’s? Steht dir aber gut. Du siehst nicht mehr so verhärmt aus“: sozusagen der direkte Fahrstuhl in eine Persönlichkeitskrise. Hundebesitzer haben es auch nicht gerne, wenn jemand anders einen Vertreter der gleichen, seltenen Rasse hat, oder vielleicht einen schöneren Hund. Das sieht ungefähr so aus, als würden sich auf einer Party zwei Frauen im gleichen Kleid begegnen: Die Schritt stockt, das Lächeln gefriert, die Kiefermuskeln spielen, und man sucht mit leicht versteiftem Gang das Weite.
Hundeleute verwechseln häufig ihre eigenen Bedürfnisse mit denen ihres Hundes, oder halten ihren Hund für ihr besseres Selbst. Das hat mit dem symbiotischen Charakter ihrer Beziehung zum Hund zu tun (das die Symbiose häufig durchaus einseitig ist, ist ein anderes Thema). Die Stärken ihres Hundes machen sie sich ebenso zueigen, wie seine Schwächen. Wenn sie einen besonders schlauen Hund haben, liegt das -na klar- an ihnen höchstpersönlich, wenn ihr Hund sich als freundlicher Töffel erweist, finden sie das überhaupt nicht komisch – ganz unabhängig davon, ob der Hund vielleicht andere, fürs Zusammenleben viel geeignetere Eigenschaften besitzt. Im Park spielte kürzlich eine Gruppe großer Hunde vergnügt miteinander, bis ein weißer Schäferhund dazu kam, sich grob dazwischen warf und nicht ruhte, bis keiner mehr spielte und alle Hunde ratlos herumstanden. Könnten Sie Ihren Hund vielleicht anleinen, damit die anderen weiterspielen können?“ fragte jemand die Besitzerin des Schäferhundes. Das ist nun mal so“, entgegnete diese. In jedem Rudel gibt es einen dominanten Anführer.“ Das ist kein Rudel, sondern eine zufällig zusammen gewürfelte Gruppe“, sagte der andere. Die anderen haben so schön gespielt“, sagte ein anderer Mann. Pech“, sagte die Schäferhundbesitzerin. So ist nun mal die Natur. Ihnen gefällt nur nicht, dass Ihr Hund nicht der Anführer ist.“ Mir gefällt nur nicht, dass Ihr Hund ein Spielverderber ist“, sagte der andere. Ist es so schlimm für Sie als Mann, nicht den dominanteren Hund zu haben?“ fragte die Schäferhundbesitzerin.
Es war klar: Das Spiel war aus. Seit Wochen denke ich darüber nach, was man ihr hätte antworten sollen. Vielleicht wäre es eine gute Idee, zum neuen Hund gleich einen Gutschein für ein Schlagfertigkeits-Seminar mitzuliefern: Damit wäre man besser auf die nächsten zehn, fünfzehn Jahre vorbereitet.