Wie stellen Sie sich einen „schönen Spaziergang“ mit Ihrem Hund vor? Wahrscheinlich, indem Sie beide entspannt zusammen durch Wald oder Park stapfen, der Hund in einem Abstand von sechs bis zehn Metern auf dem Weg und um einen herum trabend, friedliche, kurze Begegnungen mit anderen Hunden und vielleicht ab und zu ein kleines, relativ ruhiges Spielchen mit einem bekannten Artgenossen. Keine Hysterie, kein Hinterher-Brüllen, kein angespanntes Rufen: „Ist Ihrer brav?“, kein ratloses Herumstehen, wo Fifi jetzt eigentlich schon wieder abgeblieben ist.
Tatsächlich entscheidet sich meistens bereits am Anfang des Spaziergangs, wie dieser verlaufen wird: Entspannt, ruhig und gelassen – oder aufgeregt, nervig und in Beisein (von „Begleitung“ kann in diesen Fällen keine Rede sein) eines Hundes, der nicht ansprechbar ist.
Und Schuld ist schon wieder die Leine.
Häufig sieht es nämlich so aus: Der Hund ist aufgeregt, weil er am Eingang des Parks/des Waldgebietes angekommen ist und weiß, dass jetzt gleich Spaß und Hurra los geht, und außerdem sind da hinten seine Kumpels, und – boah, gestern abend wurde hier gegrillt! … Der Mensch lässt seinen Hund mühsam „Sitz“ machen, damit der einigermaßen still hält und es überhaupt möglich macht, den Karabinerhaken von Geschirr oder Halsband zu lösen. Dann bekommt der Hund mit hochmotivierter Stimme das Startsignal „Lauf“ zugerufen und rennt dann, wie befohlen geradewegs mit hohem Energielevel davon, zu seinen Freunden, in die Freiheit – wie ein Pferd auf der Rennbahn, das aus seiner Startbox saust.
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Irgendwie macht das keinen Sinn: Wieso schicke ich den Hund erst weg, um dann gleich anschließend mit großer Mühe wieder dafür zu sorgen, dass er bitte auf mich achtet, mir zuhört und im wahrsten Sinne des Wortes „bei mir“ bleibt?
Mein Credo im Umgang mit Hunden (und eigentlich im Leben und überall) ist ja „Ruhe und Gelassenheit“ , gerade weil ich ein paar Hunde habe, die relativ leicht erreg- und ablenkbar sind. Auch gerade bei Galgos und Podencos, die in ihrem Herkunftsland gelernt haben, dass das Ableinen dasselbe bedeutet wie bei uns das „Halali“, muss man eine ganze einfache, sehr effektive Art des Ableinens aufbauen, um den Hund in Zukunft ganz ruhig, ohne überflüssige oder aufregende Kommandos abzuleinen, so dass er trotzdem gedanklich „bei uns“ bleibt.
Wann Sie Ihren Hund ableinen, entscheiden Sie ganz allein und für sich (nicht der Hund, und auch kein anderer Begleiter). Ihr Hund hat keinen Anspruch darauf, jeden Tag wie ein aufgezogener Troll durch den Park oder den Wald zu rasen, auch wenn er sich das in den letzten Jahren vielleicht so angewöhnt hat. Am besten leinen Sie ihn auch nur dann, wenn Sie sich sicher fühlen, wenn jegliche Gefahrenzonen (wie Hauptverkehrsstraßen, Eisenbahnschienen, Hühnerhöfe…) weit, weit weg sind, er nicht aus dem Augenwinkel dauernd zu seinen Freunden schaut und auch nur dann, wenn Ihr Hund entspannt ist und keinen besonders jagdlich interessierten Eindruck macht. Erst recht nicht dann, wenn er verstört und ängstlich wirkt. Es ist wahrscheinlich auch viel besser, wenn Sie Ihren Hund nicht gerade dann ableinen, wenn an den Rheinwiesen vor Ihnen 2000 Wildgänse ein Nickerchen machen, eine Schafherde weidet oder Ihnen eine große Fahrradgruppe mit 40 Fahrradfahrern entgegen kommt.
Halten Sie mit Ihrem angeleinten Hund an und machen eine kurze Pause (betrachten Sie die Baumkronen, zählen Sie die Gänseblümchen, Kieselsteine zu Ihren Füßen oder Ihre Atemzüge, richten Sie jedenfalls keine Aufmerksamkeit auf Ihren Hund), bis ihr Hund einen ruhigen und entspannten Eindruck macht und die Leine locker ist. Verschaffen Sie sich einen kurzen Überblick über die Umgebung. Wenn die Luft rein ist, lösen Sie kommentarlos den Karabiner und bleiben dabei weiterhin stehen (Ziel ist es, dass Ihr Hund sich erst dann in Bewegung setzt, wenn Sie selbst gemütlich losmarschieren). Sollten Ihr Hund loslaufen, sobald Sie den Karabiner entfernt haben oder bevor Sie los gehen, bauen Sie folgenden Zwischenschritt ein:
Verfahren Sie zu Beginn wie oben beschrieben. Lösen Sie den Karabiner und bieten sie Ihren Hund einen (sehr kleinen) Keks an, und ziemlich bald den nächsten und sofort wieder einen. Halten Sie ihn mit dem Futter ruhig aber stetig beschäftigt, damit er erstmal keine Zeit hat, ohne Sie loszulaufen. Nach kurzer Zeit stoppen Sie die Keksausgabe und gehen Ihres Weges. Beschäftigen Sie ihren Hund so, dass er nicht auf die Idee kommt, von sich aus zu entscheiden, wann er sich wieder auf den Weg macht, sondern eben erst dann, wenn Sie es tun. Von Mal zu Mal sollten Sie die Sequenz von Keks zu Keks verlängern, so dass sie ihm nur noch einen geben, bevor Sie losgehen – und bald dann keinen mehr, weil Ihr Hund jetzt nämlich entspannt abwartet, bis Sie losgehen.
Nur dann ist er im Geiste bei Ihnen, und erst dann darf er zu seinen Freunden oder vorauslaufen. Sobald Sie merken, dass Sie in seiner Wahrnehmung nicht mehr präsent sind, nehmen Sie ihn wieder ganz entspannt an die Leine (er ist ja nicht „Böse“ oder „blöd“ – Sie haben ihm bisher eben nicht richtig gezeigt, wie Sie sich den Freilauf vorstellen) – und wiederholen die Übung, sobald er sich wieder entspannt hat und „bei Ihnen“ ist.
Funktioniert. Dauert nur ein bisschen, wie immer, wenn man sich irgendwas erst wieder abgewöhnen muss.