Nicht so viel denken, lieber lieben

bildvom 14.2.2010
Der Mensch erlebt die Liebe meist als Kampf, bei dem er mit einem oder mehreren Gegnern um etwas ringt, was beide zwar haben wollen, aber nicht zu geben bereit sind. Um es sich nicht unnötig leicht zu machen, hat er sich zum obersten Ziel die „wahre Liebe“ gesetzt, die uneigennützig, bedingungslos und frei von Besitzdenken ist, nicht von Abhängigkeiten geprägt und mehr auf Geben denn auf Nehmen basiert. Das Wahre-Liebe-Motto lautet: „Lieben heißt loslassen können“.
Der Nachteil ist nur, dass sie im richtigen Leben praktisch nicht vorkommt. Weil diese Erkenntnis einfach zu frustrierend ist, hat der Mensch die Fähigkeit zur wahren Liebe seinem besten Freund dem Hund untergejubelt, den er, wann immer es gerade praktisch ist, offenbar für ein höheres Wesen zu halten scheint: Im Zusammenhang mit dem Hund wird gerne betont, dass der Hund der bessere Mensch sei, weil dieser einen doch „bedingungslos liebe“, komme, was wolle.

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Ich kann Ihnen versichern: Also meine Hunde sind zu wahrer Liebe noch unfähiger, als ich selbst. Ich bin für meine Hunde schlicht alles – Ernährer, Freund, Zuhause, Anführer, Lebensinhalt und Gott (durch ihre vorwurfsvollen Blicke weiß ich nämlich, dass sie mich sogar für gutes oder schlechtes Wetter verantwortlich machen). Sie kämen nicht im Traum auf die Idee, etwas loszulassen, was sie auf keinen Fall verlieren wollen. Sie wären ja schön blöd. Sie lieben mich mit aller Kraft der Verlustangst.
Also folgen sie mir, überwachen mich, verteidigen mich, himmeln mich an und erinnern mich regelmäßig im Viertelstundentakt per kleiner Aufmerksamkeiten wie Anstupsen, Vorbeischauen oder Kopf-aufs-Knie-legen an ihre Existenz. Wahrscheinlich wären sie auch bereit, ihr Leben für mich hinzugeben, nachdem es nach ihrer Logik ohne mich sowieso keines gäbe. Der Familienhund betrachtet sklavische Abhängigkeit als die stärkste aller Bindungen und selbstsüchtige Liebe als das mächtigste Gefühl. Dadurch ist sein Herz oft groß genug, um für zwei zu reichen, und das ist gut so: Auf diese Weise wird auch der dusseligste, lahmste, scheußlichste und unfähigste Haushund von seinem Menschen geliebt.
Der Mensch dagegen landet auf der Suche nach „dem Wahren“ nicht selten bei der Heuchelei. Oder er bastelt sich so viele Probleme, dass einem die ursprüngliche Idee mit der Liebe ganz abhanden kommt. Es wäre schon viel gewonnen, wenn die Menschheit das bloße Vorhandensein dieser Gefühle auf ihrem Planeten schlicht zur Kenntnis nehmen würde. Es täte ihr bestimmt gut.

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