Ein paar notwendige Worte zu „Strafe“

Man sieht immer noch gewisse Strafmethoden, die angeblich aus der Hundwelt stammen, wie die „Alpharolle“ (Hund auf den Rücken werfen), das „Nackenschütteln“ oder den „Schnauzengriff“. Nicht nur ist diese Art der Bestrafung veraltet, sie hat mit der Kommunikation von Hunden untereinander so gut wie nichts zu tun. Ihre Anwendungen sind nicht nur missverständlich und zutiefst verwirrend für den Hund, sondern teilweise wirklich gefährlich für den Menschen, weil sie heftige Gegen-Aggressionen auslösen können.

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Die Alpharolle – das Auf den Rücken – Legen: Diese Maßnahme ist nichts als ein großes Missverständnis und eine fürchterliche Fehlinterpretation des Menschen von Hundeverhalten. Kein Hund wirft einen anderen auf den Rücken, damit dieser sich unterwirft. Ein derart massiver „Bodycheck“ ist nur bei sehr, sehr wenigen Hunden mit extrem unsozialem Verhalten zu sehen – es ist tatsächlich eine Art Verhaltensstörung. Der so behandelte Artgenossen wird, meist eine heftige und schmerz- bzw. schreckbedingte Gegenwehr zeigen. Versucht der Mensch, den Hund auf den Rücken zu werfen und ihn so in Verbindung mit verbalen Drohungen unterzuordnen (weil er als „ranghöchstes Alphatier“ glaubt, dieses Recht beanspruchen zu können), versteht der Hund diese Strafe keineswegs als Unterordnungsübung: Stattdessen wird er glauben, sein Leben werde bedroht und entweder aggressiv um sein Leben kämpfen, oder sich völlig apathisch unterwerfen. Mit „Erziehung“ hat das nichts zu tun: Der Hund wird nichts aus dieser Methode lernen, außer dass seinem Besitzer nicht zu trauen ist.

Nackenfell-Schütteln: Welpen werden von ihren Müttern manchmal am Nackenfell herumgetragen. Wenn sie älter sind, bekommen sie von erwachsenen Hunden möglicherweise einen Stüber in den Nacken – aber sie werden nie bei Fehlverhalten im Nacken geschüttelt. Das kommt nur vor, wenn ein Hund eine Beute „totschüttelt“, um der Beute das Genick zu brechen.

Der „Schnauzengriff“: Dieses Verhalten kann durchaus erzieherisch wirken, denn so werden z.B. renitente Welpen von der Mutterhündin zurechtgewiesen. Dabei fasst die Hündin blitzschnell (sie braucht dafür nicht einmal eine ganze Sekunde) über den Fang des Welpen und setzt damit ein prägnantes Korrektur-Signal, ohne dabei jedoch den Welpen je zu verletzen. Für Menschen ist diese Form der Bestrafung nicht geeignet, weil wir weder die richtige Intensität, noch die nötige Reaktionsschnelligkeit besitzen.

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Hunde lernen bei direkter „Bestrafung“ entweder gar nichts oder nicht so, wie wir Menschen uns das erhoffen. Schnauzengriff, Nackenschütteln oder andere Maßregelungen werden nur von Menschen als Korrekturen verstanden, nicht aber vom Hund. Blöd, was?
Erfolgreich lernen lässt sich nur in einem entspannten Umfeld. Sie erinnern sich allerdings lange Zeit an traumatische Erlebnisse – weshalb man früher relativ erfolgreich mit Angst und Schlägen gearbeitet hat: Die Hunde haben allerdings nicht mehr und schon gar nicht besser gelernt, sondern waren so ängstlich und nervös im Umgang mit ihrem Erzieher, dass sie sich gar nicht „normal“ verhalten konnten, sondern die ganze Zeit im „HabAcht“-Modus agierten, um den Menschen nicht schon wieder zu verärgern. Das Lernvermögen eines ängstlichen oder sehr aufgeregten Hundes ist blockiert, er kann sich gar nicht auf die Dinge konzentrieren, die er lernen soll, weil er im Extremfall mit seinem Überleben beschäftigt ist.

Stattdessen sollte man ein so genanntes „Abbruch-Signal“ trainieren, um den Hund rechtzeitig korrigieren zu können (wenn er einer Katze hinterherjagen oder einen Käsekuchen fressen will, kann man sein Fehlverhalten (in unseren, nicht in seinen Augen) ja nicht einfach „ignorieren“ (was bei anderem Fehlverhalten wie Anspringen von Menschen durchaus Erfolg hat). Ich trainiere z.B. auf ein Pfeifen-Signal (siehe: Hundepfeife – konditionierter Rückruf für brenzlige Situationen) oder einen Zischlaut wie „kscht!“, in dem ich dem Hund seinen Keks IMMER mit dem Wort „nimm’s!“ reiche – und dann, beim sechsten Mal, halte ich die Hand mit dem Keks schweigend hin. Wenn der Hund – aus alter Gewohnheit – den Keks nehmen möchte, schließe ich die Hand schnell, während ich „kscht!“ mache. Bei den meisten Hunden reichen drei, vier Wiederholungen, bis sie beim nächsten Mal, wenn man ihnen die offene Handfläche mit dem Keks hinhält, beschwichtigend zur Seite gucken.

Außer bei Luise. Die alte Sturschädelin konnte beim Trainieren dieses Abbruchsignals eine halbe Stunde lang nicht glauben, dass der Keks tatsächlich nicht für sie gemeint war: Sie setzte sich anders hin, versuchte es von der linken Seite, dann von der rechten, reichte mir die Pfote, setzte sich frontal vor mich, und sah mich immer an, als habe ich nicht alle Tassen im Schrank.
Aber mittlerweile kann sie das mit dem „Kscht!“. Auch wenn es sie in vielen Fällen nicht sehr stark beeindruckt, aber so ist eben Luise.

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4 Kommentare

  1. Christin

    Auch wenn es sie in vielen Fällen nicht sehr stark beeindruckt, aber so ist eben Luise.

    Was heist das- das sie dann doch macht was sie will? Wie lerne ich „Dickschädel“ dann einen 100% sicheren Rückruf?

    • Doch, sie kann das. Sie muss nur deutlicher (und manchmal zweimal) erinnert werden, als beispielsweise hochsensible Collies. Den „100% sicheren Rückruf“ lehrt man auch Dickschädel mit klassischer Konditionierung, d.h. die Belohnung auf den Pfiff muss so großartig und einzigartig und besonders sein, dass sie gar nicht anders können, als zu kommen. Wir arbeiten beim Training des SOS-Pfiffs normalerweise mit lauwarmem Brathuhn oder Leberkäse, aber es gibt natürlich auch Hunde, die alles stehen und liegen lassen für Pizza-Boden oder Croissant. Die Belohnung muss so großartig sein, dass der Hund gar nicht anders kann, als sie sich abzuholen. Man darf den Pfiff nicht zu oft üben, sobald der Hund ihn kann (höchstens einmal in der Woche) und auch unterscheiden: Fr manche Hunde gibt es keinen „100% sicheren Rückruf“, weil der Reiz stärker ist als der Wille zum gehorsam. Will sagen: Die Chancen, dass Sie einem Galgo beibringen, bei Reh-Sichtung besagtes Wild für Brathuhn stehen zu lassen, sind relativ gering, weil sie eben auf exakt diesen Reiz so stark selektiert wurden (anders als deutsche Jagdhundrassen, die viel mehr mit dem Menschen zusammen arbeiten müssen). Ebenso der Beagle: Wenn der erst einmal eine Spur in der Nase hat und bereits im Spurgalopp ist, können Sie mit sovielen Croissants herumwedeln, wie Sie wollen: Sein ausgeprägtester Sinn ist nun einmal sein Geruchssinn. Man muss immer auch mit dem arbeiten, was man hat. Und manche Rassen sind eben so sehr auf ihre jeweilige Spezialität hin gezüchtet, dass der so genannte „Gehorsam“ einfach untergeordnet wurde, und zwar über Jahrhunderte. Während bei einem Hütehund wie Collie, Australian Shephard, Kelpy oder Sheltie der Wille zum Gehorsam immer das oberste Zuchtziel war – vor allen anderen Eigenschaften.

  2. Schon die ersten Sätze sind falsch. Die Unterwerfung gibt es sehr wohl bei Hunden. Die packen das Gegenüber dabei am Hals und drücken ihn zu Boden. Auch möglich am Rücken runterzudrücken und sich dann über ihn stellen. Alles andere brauch ich mir nicht mehr durchlesen, weil der Autor noch nie ein Rudel erlebt hat.

  3. Ich denke mal, der Autor wird schon wissen, wovon er schreibt. Und es klingt ja alles sehr einleuchtend. Habe gerade wieder erlebt, wie ein Hundebesitzer einen Hund auf den Rücken geworfen und ihn böse niedergedrückt gehalten hat mit grimmigen Mine und bösen Worten, und ich war schockiert. Das empfinde ich als grausam.

    Bei Interesse gibt es bestimmt andere Wege, einem Hund zu zeigen, dass etwas falsch war. Da muss der Mensch nicht seinen Hund so demütigen. Und oft will der Mensch damit, so habe ich den Eindruck, auch nur sein fehlendes Selbstbewusstsein kompensieren, indem er zeigt „ich bin der Stärkere“.

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