Der Frühling naht, und mit ihm die Schneeglöckchen, an vielen Stellen stecken Krokusse, Tulpen- und Hyazinthenzwiebeln vorsichtig kleine grüne Nasen aus dem Boden, um die Witterung zu testen, und mit ihnen findet man in Parks und Wäldern wie in jedem Jahr um diese Zeit unvermittelt erstaunliche Haufen aus Wolle oder Haar. Manche sind blond, manche dunkel, manche vielfarbig oder lockig, einige sind kleiner, und manche so groß, dass man befürchten muss, irgendein Tier wäre an dieser Stelle nicht nur gerupft, sondern komplett skalpiert worden. Oder man befinde sich – Stadtpark hin oder her – mitten in der Wildnis und hätte nur ihren Ruf bisher nicht gehört.
Tatsächlich ist beim Entstehen dieser Wollhaufen kein Tier zu Schaden gekommen: Das Frühjahr ist die Saison des Abhaarens beim Hund, und findige Hundebesitzer stellen sich im Morgengrauen mit Bürste und Kamm bewaffnet in die Natur und bürsten, was das Zeug hält. Und weil Hundehaar wunderbares Nistmaterial für Singvögel ist, packen sie die Fellhaufen anschließend nicht in umweltschädliche Plastiktüten, um es zu entsorgen, sondern lassen es liegen (wenn Sie sehr viel Hundefell auf öffentlichen Tischtennisplatten finden, wissen Sie, dass der Hund mittelgroß und sehr haarig war, es also für den Besitzer bequemer war, den Hund in Augenhöhe auszubürsten) in der festen Überzeugung, etwas für die Fauna zu tun.
Die meisten Hunde werfen zweimal im Jahr das Fell ab, um sich per neu nachwachsendem Fell den unterschiedlichen Temperaturen wechselnder Jahreszeiten anzupassen (manche Rassen haaren allerdings auch durchgehend, oder man sieht ihre Haare einfach besser, wie die von Dalmatinern, Möpsen oder Jack Russells, deren kurze, harte Haare sich einfach ÜBERALL hineinpieken, oder Golden Retriever, die ihr seidiges Blondhaar ebenfalls gerne und großzügig verteilen). In Jahreszeiten, in denen das Tageslicht knapper wird, sorgt das Gehirn des Hundes für dickeres, wärmeres Fell, ihm wachsen dann Sekundärhaare“ oder Unterwolle, die mehr Wärme gibt. Sobald es wärmer wird, müssen diese Haare wieder abgestoßen werden: Bei manchen Rassen kann das dazu führen, dass das Haus im Frühjahr aussieht, als wäre es mit Flokati ausgelegt, wie bei Huskys, Malamutes, Australian Shepherds oder anderen gebirgstauglichen Rassen. Die Hausfrau hätte ein Recht, derlei vorher zu erfahren, aber die meisten Züchter verschweigen dies, wenn auch nicht aus Bosheit, sondern weil es für sie nach Jahren des engen Zusammenlebens mit einer Art saisonalem Wollschaf das Natürlichste der Welt ist, wenn freifliegende Hundehaare sanft in ihre Teetasse schweben und sie längst daran gewöhnt sind, wenn der Teppich eine weiche extra Flor-Schicht bekommt.
Manche Leute scheren ihre Hunde, allerdings wirkt das Fell auch als hautkühlende Schutzschicht, deshalb sollte man Hunde, die viel draußen sind, nicht scheren, weil sie 1. einen Sonnebrand bekommen können, 2. von Mücken gepiesackt werden, 3. ohne schützendes Fell der Hitze noch stärker ausgesetzt sind und 4. von den anderen Hunden in der Umgebung erbarmungslos ausgelacht werden. Es wird zwar immer wieder blumig für Futterzusätze, Sprays, Öle oder Balsams geworben, aber das sind leere Versprechungen – sonst würde jeder von uns das Zeug verwenden, und einige kahlköpfige Schauspiele hätten nie Karriere gemacht. Im Frühjahr und Sommer muss man mit Hund gezwungenermaßen einen gewissen Putzzwang entwickeln (im Winter allerdings auch, wegen des matschigen Unterbodens des Hundes). Man kann nichts dagegen tun, außer den Hund zu bürsten. Je mehr Haare in der Bürste bzw. auf Feld und Wiesen bleiben, desto weniger Haare bleiben an Möbeln, Teppichen und Füßen haften.
Stellen Sie sich also ruhig mit Hund und Bürste im Morgengrauen ins Freie. Sie sind nicht allein.