Wie der Herr, so’s G’scherr, oder: Der Mensch ist ein Gewohnheitshund

bildvom 18.4.2010

Es wird ja gerne behauptet, dass der Hundehalter im Laufe seines Lebens immer mehr seinem Vierbeiner gleicht.
Ich kann das nicht bestätigen, obwohl ich wünschte, es wäre so: Weder kann ich ähnlich üppiges, lockiges Haupthaar wie meine beiden Pudeltanten vorweisen, noch ähnelt meine Taille dem durchtrainiert-mageren BMIs meiner beiden Windspiele. Im Advent sah ich zwischenzeitlich meinem Windspiel Harry nicht unähnlich, der aufgrund einer Weihnachtskeks-Diät ein paar Wochen lang eher an ein pummeliges Waalfischbaby erinnerte als einen eleganten Windhund, aber mit Einbruchs des Frühlings fand er zurück zu seiner alten rasanten Form, und jetzt teilen wir höchstens noch die langen Beine. Als mein Mops Theo noch lebte, war auch in dieser Hinsicht keinerlei Ähnlichkeit festzustellen, und das war auch gut so: Es ist die große Angst von Mopsbesitzern, irgendwann einmal so auszusehen wie der eigene Hund.
Der Spruch „Zeige mir deinen Hund, und ich sage dir, wer du bist“ führt haufenweise zu Missverständnissen. Ein Mann mit Dackel wird dementsprechend als traditionell, tolerant und biergartenorientiert wahrgenommen, Schäferhund-Haltern unterstellt man Konservatismus und einen Polizisten-Komplex, während man Labrador-Besitzer automatisch für Geländewagen- und Landhausbesitzer hält. Manchmal wird man von seinen Vorurteilen allerdings auch überrascht: Da trifft man einen Pit-Bull-Besitzer und ist ganz erstaunt, dass er in seiner Jackentasche keine Drogen, sondern Gedichte von Pablo Neruda mit sich herumträgt.

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Ich ganz persönlich scheine dabei nach dreißig Jahren Hundehaltung dem Hund an sich immer näher zu kommen – jedenfalls, was gewisse Eigenschaften und Rituale betrifft. Hunden sind Gewohnheiten noch stärker unterworfen als der Mensch, bei erwachsenen Hunden sind sie so fest eingeschraubt, dass sie ihnen kaum wieder ausgetrieben werden können: Bis auf die Minute gewöhnen sie sich an ihre Essenszeiten, unwirsch mahnen sie, wenn man sie versäumt. Mir geht es genauso: Wenn ich bis neun kein Frühstück bekommen habe, werde ich zickig. Nach Jahrzehnten, die ich mit Hunden gelebt habe, die einen ausgeprägten Jagdinstinkt hatten, durchzuckt es mich tief, wenn ich ein Eichhörnchen sehe – auch, wenn meine Hunde gar nicht dabei sind. Als gestern sehr früh hinter dem Flughafen-Parkhaus ein Kaninchen frech einen halben Meter neben mir auf dem Rasen sitzen blieb, dachte ich noch: „Wenn Luise jetzt hier wäre, würdest du dich das nicht trauen“ – bis mir auffiel, dass kein normaler, hundeloser Mensch so mit einem fremden Kaninchen reden würde. Etwas später im Flughafen lief ein älterer Herr mit einer kleinen Box herum, aus der es nachhaltig kläglich miaute: Reflexartig spannten sich alle meine Muskeln an: Nicht, weil ich reflexartig die Verfolgung des Herrn aufnehmen wollte, sondern weil ich unterbewußt automatisch davon ausging, irgendeinen Hund davon überzeugen zu müssen, den Herrn nebst Katze weder zu beachten, noch zu belästigen.
Ich bin noch weit davon entfernt, Schneebälle mit dem Mund zu fangen oder mich auf matschigen Wiesen zu wälzen. Allerdings gehe ich tatsächlich immer davon aus, dass das Essen auf dem anderen Teller interessanter ist als auf meinem eigenen, und meine Brüder würden mich jederzeit als futterneidisch bezeichnen.
Es kann auch kein Zufall sein, dass ich immer aufs Klo muss, sobald ich in den Wald komme: Der Anblick von Bäumen löst bei mir umgehend Harndrang aus. Vielleicht sollte ich den Rest meines Lebens doch lieber mit Zierfischen verbringen und retten, was von meinem Charakter noch zu retten ist.

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