Kinderglück – oder so

bildvom 4.12.2011

Neuerdings erschrecke ich meine Nachbarn zu Tode, weil ich zu nachtschlafender Zeit wie ein Schloßgespenst im Bademantel in meinem Garten herumstehe. Anschließend hocke ich morgens um halb sechs in meinem Wohnzimmer und spiele Ball. Oder schleudere kleine quietschende Stofftiere herum. Der Grund dafür ist nicht senile Bettflucht, sondern ein elf Wochen alter Welpe namens Gretel. Mit elf Wochen bestehen junge Hunde vor allem aus sehr viel Flüssigkeit, weshalb ich Gretel also zu allen Tages- und Nachtzeiten nach draußen schleppe und sie für nobelpreiswürdig halte, wenn sie wirklich draußen und nicht auf meinen weichen Teppich pieselt.
Gretel lernt schnell. Sie ist in der Tat so schlau, dass man sie sofort in Harvard einschreiben sollte (leider akzeptiert Harvard Hunde nur, wenn die Besitzer extrem reich sind). Sie hat schon gelernt, dass nächtliches Kläffen im Garten dazu führt, dass ich hinter ihr her renne, um sie vom Bellen abzuhalten. Den gleichen Effekt erreicht sie, wenn sie mit meiner Unterwäsche durch die Wohnung rennt, wenn Gäste da sind.
Als echter Streber steht sie nicht nur früh auf, sie ist auch nachtaktiv: Trage ich sie nachts in den Garten, ist sie im Gegensatz zu mir sofort unglaublich wach und tobt wie ein übergeschnappter Troll durchs raschelnde Laub, das ich dringend (tagsüber) harken und einsammeln sollte, wenn ich nicht so müde wäre. Während der Garten im Mondlicht frostig schimmert, hopst Gretel begeistert durchs Laub, und hält nur manchmal inne, um auszuprobieren, ob es eine gute Idee ist, halbgefrorene Igelexkremente zu fressen (Antwort: Nein). Im Haus bekommt sie ein noch viel besseres Echo auf ihr Bellen: Sofort kommen die anderen Hunde angerannt, weil ganz offensichtlich irgendetwas nicht stimmt. Schließlich ist Bellen ein wesentliches Kommunikationsmittel für Hunde, mithilfe dessen sie wichtige Botschaften austauschen. Es ist nicht Gretels Schuld, dass der Inhalt ihrer Botschaft bisher nur „Wau“ lautet.
Wenn ich sie zurück in ihre weiche Schlafbox neben meinem Bett trage, jammert sie lange und laut herum, bis sie endlich einschläft. Spätestens dann bin ich völlig wach; wenn ich allerdings das Licht anmache, um mich in den Schlaf zu lesen, denkt Gretel, es sei an der Zeit zu spielen. Meine anderen Hunde beteiligen sich kaum an der Erziehung des jungen Dings, sie finden offenbar, ich solle meine Suppe selber auslöffeln. Vielleicht sind sie auch einfach zu müde.
Das wichtigste Hobby junger Hunde ist es, alles anzunagen. Um ein Haus welpensicher zu machen, muss man deshalb alle kaubaren Gegenstände entfernen, vor allem Bücher, Teppiche, Sofas, sehr kleine Hunde, Kleidungsstücke, langsame Katzen, Vorhänge, Sessel, Tische und Stühle und alles mit Stecker (neuerdings schreibe ich meine Artikel deshalb mit der Hand). Eigentlich wäre es eine gute Idee, den jungen Hund, bevor man ihn nach Hause holt, erst mal in das Zuhause von jemand anderes zu holen. Man könnte ihn da ja besuchen, bis die Kau-Phase vorbei ist. Wenn das nicht geht, sind Spielsachen zur Ablenkung eine gute Idee. Darum sieht meine Wohnung aus wie ein Spielzeugparadies. Überall liegen Stofftiere, Bälle, Quietschtiere. In meinem Bücherregal fand ich einen großen braunen raschelnden Stoff-Bieber, der empört „Öff“ machte, als ich ihn entfernte. Dafür sah das Buch „Hunde in Hollywood“ ziemlich angegriffen aus. Ich hoffe nur, Gretel hat es mehr angekaut als gelesen. Sonst ist der Hund jetzt schon für immer verdorben.

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