Naturgewalt

Fritz
Fritz

Fritz

An manchen Tagen nehme ich mir vor, möglichst ausschließlich per Handzeichen mit meinen Hunden zu kommunizieren, oder, falls ich sie doch ansprechen muss, dann nur per Flüstern. Heute ist so ein Tag; ich bin im Augenblick sowieso mehr für leise Töne zu haben, und so spazierten wir schweigend durch den Wald, bis Harry plötzlich sehr aufmerksam wurde: Körperspannung, aufgestellte Ohren, hochgestellte Rute. Trotzdem schaffte ich es, ihn, der etwa 15 Meter vor mir lief, schweigend zu mir zurückzuholen (sehr gute mentale Übung!), indem ich einmal mit den Fingern schnippte und dann ein paar Schritte rückwärts ging, während ich ihn mit einer Ahdnbewegung zu mir winkte. Alle drei – Harry, Fritz und Gretel kamen zu mir zurück, bekamen dafür eine Keksbelohnung, um ihre Aufmerksamkeit ein wenig zu schärfen (meine Hunde bekommen nur sehr selten Keksbelohnungen und nur noch für besondere Leistungen. Und Zurückkommen trotz offensichtlicher Ablenkung irgendwo im Unterholz ist für einen Windhund schon eine besondere Leistung). Ich hörte irgendetwas im Unterholz wühlen, es klang viel größer, als ein Reh – ein Hirsch vielleicht, oder eine Rotte großer Wildschweine (wobei die Wildschweine in diesem Teil des Berliner Staatsforsts sehr scheu sind und mich das Auftauchen einer Rotte morgens um halb neun wundern würde). Ich nahm die drei Herrschaften an die Leine, hörte dann eine leise Männerstimme: Es war ein Forstmitarbeiter, der mit einem Belgischen Kaltblut Holzarbeiten machte (leider, leider hate ich weder mein Handy, noch eine Kamera dabei, um ein Foto zu machen!). Ein sechsjähriger, gewaltiger Dunkelschimmelhengst, der auf kleinste, ganz leise gesprochene Worte wie  „Brrrrr“, „Halt, Schimmel“, „Weiter“, „Braaav“ sofort reagierte, bewegte sich anmutig wie ein Ballettmädchen durch das Unterholz. Der Mann zog mit dem Hengst die fürchterliche amerikanische Tollkirsche aus dem Boden, die sich hier überall breit macht und die jungen Bäume erstickt. Holzarbeiten mit Kaltblütern sind nur noch selten, aber wunderbar für den Boden, der anders als bei der Arbeit mit schweren Maschinen nicht verdichtet, sondern eher aufgelockert wird – andererseits ist diese Arbeitskraft teuer, weil man natürlich nicht so viel geschafft bekommt, wie z.B. mit einem Harvester, der innerhalb eines Tages hunderte von Hektar Wald roden, schälen und zerteilen kann mit einem einzigen Mann am Steuer.

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Der dampfende Kaltblüter paßte jedenfalls wunderbar in die leicht herbstliche Stimmung; die Spinnengewebe, die Bodendecker und junge Bäume überzogen, waren mit Tau benetzt, der Wald war vollkommen still bis auf das Schnauben des Pferdes und den Geräuschen, die die Hundepfoten auslösten.

Später funktionierte das „wortlose Rufen“ nocheinmal sehr gut; als wir nämlich einen Mann sahen, der in einem Waldstück mit offensichtlich nagelneuem, gebügelt wirkenden Parka, dunkelblauem Cowboyhut und Büro-Rucksack mit hochgekrempelten Hosen barfuß zwischen den Kiefern herumlaufen sahen. Gretel fand das merkwürdig, und ich konnte mir auch nicht erklären, was das sollte bei knappen elf Grad. Vielleicht war der Herr einfach auf der Suche nach einem Naturerlebnis.

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2 Kommentare

  1. Das mit den leisen Tönen ist eine gute Idee, die ich einmal übernehmen werde. Ebenso, die Schwelle für eine Keksbelohnung herauf zu setzen. Wirklich Schade, dass Sie kein Fotogerät dabei hatten, sowohl den Kaltblüter, als auch den merkwürdigen Spaziergänger hätte ich gerne mal gesehen. Hier im Ort gibt es noch einen Hobby-Landwirt, der zwei Kaltblüter besitzt, die mich jedesmal beeindrucken, wenn ich sie sehe. Vor allem einer der beiden flösst mir aufgrund seiner Größe und seiner unglaublichen Muskelpaket Respekt ein. Im Arbeitseinsatz sind die beiden allerdings nicht.

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