Kleinsthunde-Alarm

In meinem Haushalt nehmen die Kleinsthunde zu. Das hat verschiedene Gründe, unter anderem die, dass im Zuge der Corona-Homeoffice-Krise plötzlich die erstaunlichsten Leute auf die Idee kamen, sich einen Hund anzuschaffen. Ohne sich dabei Gedanken darüber zu machen, was mit den treuen Vierbeinern eigentlich passieren sollte, wenn die gemütliche Homeoffice-Phase vorbei wäre. Als es so weit war, schien die Antwort offenbar ganz einfach: Ins Tierheim! Also ist die Truppe bunter kleiner Hunde, die hier durchs Haus toben, ein Konglomerat aus Tierheimhunden und solchen, die es gar nicht erst dorthin geschafft haben – sondern schon in den ungarischen Welpenfabriken, in denen sie für den Ebay-Kleinanzeigenmarkt billig produziert wurden entsorgt wurden. Weil sie die falsche Farbe hatten, das falsche Geschlecht, oder der Produzent die übrigen Hunde einfach nicht durch den Winter durchfüttern wollte.

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Kasper

Chihuahuas sind anders als andere Hunde. Und irgendwie auch nicht. Sie sind richtige Hunde, viel mehr als Windhunde, die sich irgendwie für etwas Besseres halten und viele Dinge unter ihrer Würde sehen, mehr als Hüte- oder Herdenschutzhunde, die sehr monothematisch durchs Leben gehen. Chihauhuas sind sich für nichts zu schade. Sie sind – wenn sie nicht zu einem Leben fern des Fußbodens in kleinen Taschen verdammt werden – wilde Dinger, laut, sehr selbstbewusst, sehr territorial und ohne das geringste Gefühl für ihre geringe Körpergröße.

Fonsi

Das muss man wissen, sonst wundert man sich, warum sich ein Hund, der etwa die Größe eines Turnschuhs in Größe 38 hat, auf breiter Straße einem riesigen Traktor entgegen stellt, in der festen Überzeugung, er hätte die Straße gekauft. Oder warum ein Chihuahua, der auf dem Sofa aussieht, als könne ihn kein Wässerchen trüben, sich in freier Wildbahn den Hofhund des Nachbarn anbrüllt, für den er nicht mehr als die Füllung eines hohlen Zahns darstellen würde. Die Antwort auf das „Warum?“ wäre: Weil er’s kann.

Luis und Barthl

Chihuahuas haben eine durchaus proletige Seite. „Fein“ sind sie nicht. Historisch macht das auch Sinn: Chihauhuas waren nie Hunde des Adels, nirgendwo. Chihuahuas sollten mexikanische Städte von Mäusen und Ratten befreien, und wer so einen Job ein paar Jahrhunderte lang gemacht hat, dem kann man nichts mehr vormachen. Anders als Phalenes, Papillons, Windspiele oder Cavalier King Charles Spaniel haben sie keine edlen Damen amüsiert oder ihnen in eisigen Burgen das Bett gewärmt. Verstehen Sie mich nicht falsch: Das natürliche Habitat des Chihuahuas ist selbstverständlich auch Ihr Bett. Aber nicht, um Sie zu wärmen, sondern weil dem Chihuahua kalt ist. Das Leben kann so einfach sein.

Chihuahuas stehen niemals über den Dingen, sondern immer mittendrin – was wohl ihre Größe so mit sich bringt. Wenn irgendwo etwas los ist, sind sie dabei – seien es Pausenhofschlägereien, Teeparties (noch lieber: Grillparties), Mittagsschläfchen oder Demos gegen Gewalt gegen Hunde: Keine Feier ohne Chihuahua, könnte man sagen. Sie halten Charme grundsätzlich für überbewertet und setzen eher auf Stimmgewalt. Und die ist wirklich beeindruckend: Nur selten schön oder wohlklingend, aber dafür intensiv und nervtötend. Sie können sich „einkläffen“, wie keine andere Rasse der Welt, ähnlich, wie man das von manchen Politikern kennt, sie bellen ohne Punkt und Komma, und wissen längst nicht mehr, worum es ihnen ursprünglich ging.

Kasper

Aber sie sind auch wahnsinnig komisch, weil sie so unglaublich von sich überzeugt sind. Jeder einzelne der hiesigen Chihuahuas hält sich für etwas Besonderes, für Gottes ganz spezielles, niedliches Geschenk, das in keinem Haushalt fehlen sollte. Und tatsächlich schafft jeder einzelne der Truppe es, fremde Menschen, vor allem erwachsene Männer, die sich in ihren Träumen eher mit Barsois, quadratischen Jagdhunden oder schnittigen Airedale-Terriern sehen, in verknallte Pseudo-Mickey Rourkes zu verzaubern, die ihnen auf dem Schoß Verliebtheiten in die großen Ohren flüstern.

Chihuahuas kann man erziehen, wie jeden anderen Hund auch. Je besser man sie erzieht -je mehr Regeln man also aufstellt und einfordert -, desto angenehmer werden sie, desto mehr kann und will man sie dabei haben, desto mehr erleben sie, desto mehr Persönlichkeit können sie entwickeln, desto interessanter werden sie im Zusammenleben. Wie alle Hunde, aber je kleiner der Hund, desto fauler der Hundeerzieher – vielleicht, weil man sich so tief bücken muss. Und weil es so einfach ist, den kläffenden, uneinsichtigen Proll-Hund einfach auf den Arm zu nehmen, anstatt ihm Manieren beizubringen. Aber diese Art der Übergriffigkeit hat kein Hund verdient. Auch Chihuahuas nicht.

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13 Kommentare

  1. Sabine Hofheinz

    Ich freue mich sehr, wieder von Ihnen zu lesen!!! Viele liebe Grüße Sabine Hofheinz

  2. Katja Stilz

    Sooo schön wieder von Ihnen zu lesen. Und jedes Wort spricht mir aus der Seele: ein Leben ohne Chi ist möglich, aber sinnlos. Zauberhafte Zwergenbande auf Ihrem Sofa.

  3. Anna Burwinkel

    Liebe Frau von der Leyen,

    wir freuen uns maßlos, dass Sie wieder die sind, die Sie immer gewesen sind.
    Sie haben sich zurück gekämpft – für Ihre Tiere, auch für Ihre große Fangemeinde.
    Sie sind einfach unersetzlich❤️

    • Och, wie wahnsinnig nett – danke schön. Ich hatte einfach großes Glück und eine günstige Einstellung zu den Dingen… Das hilft. Aber ich freue mich sehr, dass Sie sich freuen!!

  4. Auch wenn ich persönlich zum Team Dalmatiner (über deren Eigenarten ich mittlerweile ein Buch schreiben könnte) gehöre, habe ich den Artikel mit Freude gelesen. Schön, dass Sie wieder „am Start“ sind.

  5. katze0611

    Liebe Katharina,
    wie wunderbar, dass Sie wieder „die Alte“ sind! Wir haben Sie so sehr vermisst! Viele, viele Jahre folgen wir Ihrem Blog, verschlingen Ihre informativen Bücher und letztendlich bin ich durch Sie auf die Windhunde gekommen. Hundeliebhaber sind wir ein Leben lang, momentan leben 3 Windhunde bei uns, trotzdem interessieren wir uns natürlich auch für die Eigenarten und Lebensweisen anderer Hunderassen.
    Liebe Grüße aus Oberhavel
    Marina und Fellnasen

  6. Sonja Brünzels

    Wie schön, ein neuer Post! Freut mich sehr. Ihr Blog (und einige Leyen-Produkte) begleiten mich, seit 2016 mein (erster Großstadt-)Hund bei mir eingezogen ist. Weiter gute Erholung und einen Knuddler (sofern gewünscht…) an die Hunde alle!

  7. Ich bin zwar noch nicht lange hier dabei, doch ist es wirklich super schön, wieder etwas von Ihnen zu hören! Ich hoffe weitere folgen bald 🙂

  8. Liebe Katharina,

    wie wunderbar, dass Sie wieder Lumpi – Aktiv sein können!! (Lumpi – wieviel ist´s denn überhaupt?).

    Alles,alles Liebe, Glück, Kraft und Hunde wünschen

    Susanne mit ( momentan „nur“) Matteo&Rudi

  9. Liebe Frau von der Leyen,
    auch ich freue mich sehr, wieder Neues auf Lumpi lesen zu dürfen.
    Ich wünsche Ihnen ebenfalls, dass Sie weiter Glück in großen Packungen haben werden und die Dinge weiterhin so günstig laufen werden.
    Sollen denn alle Kleinen nun für immer bei Ihnen bleiben oder sind die Chis auf der „Durchreise“?
    Herzliche Grüße
    Sibylle

  10. Anette Lack

    Freu mich so, dass ich Sie „wiedergefunden“ habe! Ich hatte Ihre warmherzigen, empathischen, lebendigen Artikel voller Humor in der DOGS immer so gern gelesen!

    Und ich war sehr bestürzt, als ich von Ihrer Erkrankung las. Umso schöner, zu sehen, dass es Ihnen wieder gut geht!

    „Aber diese Art der Übergriffigkeit hat kein Hund verdient“. So wahr! Neulich sah ich ein Chihuahua-Frauchen, offensichtlich auf dem Weg zum Einkaufen, dass seinen kleinen Genossen kurzerhand in eine riesige, schwarze Lack-Umhängetasche stopfte, in die zehn seiner Artgenossen gepasst hätten, und in der er vollständig versank.

    Er konnte weder den Kopf rausstecken noch durch die Tasche etwas sehen. Von außen sah man nur eine kleine Ausbuchtung auf dem Taschenboden, und ich stellte mir den Aufenthalt in diesem stockdunklen Gefängnis ziemlich traumatisierend vor.

    Auf meine vorsichtige Frage, ob der kleine Vierbeiner das denn möge, reagierte die Dame mit „Nein, überhaupt nicht. Aber ich muss in den…“ (mit dem Kopf auf ein Geschäft 50 Meter weiter weisend) „…Bioladen!“

    Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Kraft und viel Spaß mit ihren Zwei- und Vierbeinern!

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