Heutzutage mal kurz mit dem Hund“ spazieren zu gehen, ist gar nicht so leicht. Wenn ich mit meinen Vieren mal kurz eine möglichst effiziente Runde in einem Park drehen möchte, habe ich ein Problem: Sie müssen überall an der Leine gehen. Zu viert an der Leine geht allerdings nur, wenn alle diszipliniert neben mir her marschieren, zwei rechts, zwei links – ein lustiger entspannter Spaziergang ist das eher nicht. Vor ein paar Tagen musste ich es trotzdem wagen, und also ließ ich wenigstens George, meinen 23 cm-großen Minihund frei laufen, der nicht mal mit größter Phobie oder Phantasie auf irgendjemanden bedrohlich wirkt: Er ist freundlich und gelassen, geht – wenn überhaupt – wedelnd und ruhig auf Menschen und andere Hunde zu, und kümmert sich ansonsten um seine eigenen Sachen. Alle Kinder, die wir je getroffen haben, lieben ihn, weil er wie ein wandelndes Stofftier aussieht.
Wir hatten noch nicht mal 300 Meter zurückgelegt, als das Ordnungsamt auf mich zukam: Ich solle den Hund anleinen, wurde mir gesagt, und sofort ein Strafzettel über 35 Euro ausgehändigt. Als ich versicherte, ich kennte das Gesetz, meine anderen Hunde seien ja auch angeleint, und George würde schließlich niemanden gefährden, bekam ich wegen vorsätzlicher Missachtung des Leinenzwangs“ einen zweiten Strafzettel, diesmal für 120 Euro.
Der Hund hat uns wacker durch sämtliche Epochen unserer Kulturgeschichte begleitet – als Partner bei der Arbeit, als Freund. Hierzulande teilen sich ca. 5,9 Millionen Hunde ihren Lebensraum mit 82 Millionen Menschen. Echte Konfliktfälle sind erstaunlich selten, auch wenn die Medien es anders suggerieren. Beißvorfälle werden aufgebauscht und gefärbt wiedergegeben und stets mit einer allgemeinen Stimmung gegen Hunde verbunden. Dabei werden Hunde in Deutschland eigentlich sehr gemocht: Laut Studien der Firma Pedigree mögen auch 70% der Nichthalter Hunde gern – nur 6% der Befragten gaben an, Hunde nicht zu mögen. Über 97% aller Befragten fanden, dass Hunde eine wichtige soziale Bedeutung in unserer Gesellschaft haben.“ Nahezu übereinstimmend sind Hundehalter und Nichthundehalter davon überzeugt, dass der Hund einen festen Platz in der Gesellschaft verdient“, so die Studie.
Trotzdem steigen die staatlichen Reglementierungen seit dem Jahr 2000 rapide an: Kaum eine Woche vergeht, in der nicht von Politikern oder Boulevardblättern gegen den Hund gehetzt wird und unsere Ängste unreflektiert auf die vierbeinige Minderheit projeziert werden. Es ist erstaunlich, dass der Hund es noch immer nicht leid ist, uns durch dick und dünn zu begleiten. Es gibt kaum noch einen Ort, an dem der Hund legal seinem elementarsten Bedürfnis, dem freien Laufen nachkommen kann, er darf nicht mehr spontan mit einem anderen Hund spielen, wachsames Bellen ist unerwünscht, wehren darf er sich schon gar nicht. Wenn Tierquälerei bekannt wird, regen wir uns auf, attestieren eine abnorme Veranlagung und fordern – zu Recht – hohe Strafen. Aber was ist mit dem täglichen Leben, das wir unseren vierbeinigen Partnern mittlerweile abverlangen müssen? Haben wir in der heutigen Gesellschaft, die das artgerechte Halten von Hunden unmöglich macht und Hundehalter kriminalisiert, überhaupt noch eine Basis für die Partnerschaft Mensch-Hund? Wo fängt die Fürsorge für unseren Hund denn an: Bei der ausgewogenen Ernährung und ausreichendem Bürsten – oder bei seinen essentiellsten, einfachsten Bedürfnissen: Dabei sein zu dürfen, zu rennen und zu spielen? Wenn wir dem Hund schon diese Dinge nicht mehr ermöglichen – was hat der Hund von einer solchen Partnerschaft überhaupt noch zu erwarten?