Umzüge und andere schwarze Löcher

Ich befinde mich mitten im Umzug. Ich weiß nicht, was mich geritten hat: So etwas Dusseliges wie die Sehnsucht nach einem Garten für die Hunde, nach Natur, nach Wald und Wiesen um mich herum statt Parkplatznot, zerdepperten Flaschen vor der Haustür und nächtlichem Geschrei im Hinterhof. Ich sage Ihnen: Das ist ein Umzug nicht wert.
Ich persönlich habe noch keine Kindsgeburt hinter mir, aber ich habe sie bereits mehrere im Fernsehen gesehen und würde sagen: Was die körperlichen Schmerzen angeht, ist der Geburtsvorgang ein Spaziergang im Vergleich zu einem Umzug. Eine Geburt ist wenigstens auch irgendwann zu Ende, während ein durchschnittlicher Umzug eine Ewigkeit dauert. Man könnte eine Doku-Soap machen über Paar A, das gerade ein Baby bekommt, und das Paar B, das gleichzeitig mit seinem Haushalt umzieht – und wenn man ihnen über die Jahre folgt, wird das Baby von Paar A erwachsen, zieht zuhause aus und gründet selbst eine Familie, während Paar B noch immer Kartons voller Packpapier durchwühlt und nach dem Deckel der Teekanne sucht. Außerdem werden einem bei einer Geburt starke Betäubungsmittel verabreicht. Bei einem Umzug ist niemand so mitfühlend.
Ich bin schon sehr oft umgezogen. Ich kenne überhaupt niemanden, der so oft umzieht wie ich: Glauben Sie mir, ich weiß wovon ich spreche, wenn ich allen, die umziehen wollen, diesen Rat gebe: TUN SIE ES NICHT! ZÜNDEN SIE IHRE SACHEN EINFACH AN UND GEHEN SIE WEG, OHNE SICH NOCH EINMAL UMZUDREHEN! Ich verspreche Ihnen: Auf lange Sicht ist das die einfachste und beste Lösung.
Stattdessen packt man seine Sachen zusammen und wickelt sie liebevoll einzeln in Papier ein. Das hält man eine Woche oder so durch, bis man eines Tages fest stellt, dass man keinerlei Fortschritte macht: In der Wohnung liegt immer noch genauso viel Zeug herum wie an dem Tag, an dem man mit dem Packen anfing, irgendwie kommt es einem sogar so vor, als wäre es mehr als vorher. Man stößt auf Dinge, von denen man schwören könnte, dass man sie schon vor Jahren weggeworfen hat, wie alte Tony-Marschall-Platten und Bücher über den Schlüssel zum Glück, die jetzt hinter Regalen oder hinten in Schränken lauern wie Anthony Perkins in „Psycho“. Irgendwann wird man irre und entschließt sich, einfach alles zu behalten, auch die Gebrauchsanweisungen von Handys, die man schon seit 2001 nicht mehr besitzt. Besser also, man lässt von einem professionellen Umzugsunternehmen packen.
Der große Vorteil ist, dass man sich dann bei jemandem beschweren kann, wenn man feststellt, dass das edle Meissner Porzellan, das seit Generationen im Familienbesitz ist, in Tic-Tac-große Stücke zerbröselt ist und Mayonnaise im Cello klebt. Packer eines Umzugsunternehmens reden wenig, sondern packen in erstaunlicher Geschwindigkeit alles in Kartons, ohne Fragen zu stellen. Alles. Sie würden auch gebrauchtes Katzenstreu in einen Karton packen und sorgfältig jedes einzelne Katzenwürstchen einzeln in Packpapier wickeln, damit es beim Transport nicht beschädigt wird. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, die Packer bei ihrer Arbeit genau im Blick zu behalten, um Tragödien zu vermeiden. Harry? Wo ist eigentlich Harry abgeblieben?
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