Die EU plant, den Einsatz von Antibiotika für Tiere massiv einzuschränken – Gefahr für unsere Haustiere?

Bio ist besser

Das geplante Verbot bestimmter Antibiotika löst Panik aus unter Haustierbesitzern – dabei ist der Hintergrund des Ganzen im Grunde „nur“ das übliche Problem überall in den EU-Ländern: Es werden zu schnell Gesetze gemacht von Leuten, die sich zu wenig auskennen und dann unpräzise Gesetzestexte formulieren


Im Raum steht ein Anwendungsverbot für bestimmte Antibiotika-Gruppen, sogenannte Reserve-Antibiotika. Nämlich solche, die laut WHO für den Menschen als „von kritisch wichtiger Bedeutung“ und als „höchste Priorität“ eingestuft wurden. Also Antibiotika, die nur dann noch vergeben werden, wenn bei den Betroffenen bzw. Erkrankten gegen andere Antibiotika schon Resistenzen vorliegen und die daher wirkungslos geworden sind. Will heißen: Es sollen bestimmte Antibiotika vollständig zurückgehalten und nur noch eingesetzt werden bei Menschen, die gegen alle anderen Antibiotika resistent sind und deshalb bei bestimmten Infektionen einfach sterben würden. Tatsächlich sterben in der EU jedes Jahr im Schnitt 33.000 Menschen an Infektionen, bei denen multiresistente Keime im Spiel sind. Gegen Infektionen mit multiresistenten Keimen gibt es keine wirksamen Antibiotika.

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Laut Bundesverband praktizierender Tierärzte stammen fünf Prozent (!!) der multiresistenten Keime aus der Tierhaltung, weil bei konventionell gehaltenen Nutztieren so unendlich viel Antibiotika (auch prophylaktisch) eingesetzt wird: Werden hier einzelne kranke Tiere entdeckt, wird üblicherweise der gesamte Bestand behandelt, selbst wenn der Großteil der Tiere noch gesund ist.  Insgesamt wurde die Antibiotikavergabe in der konventionellen Nutztierhaltung in den vergangenen zehn Jahren zwar bereits halbiert, vor allem in der Geflügelmast allerdings gab es keinen merklichen Rückgang. Darum sollen bestimmte Antibiotika in der Tiermedizin eingeschränkt werden, und daran kommen wir schlicht nicht vorbei: Die fleischlastige Ernährung hat dazu geführt, dass viele Menschen (und übrigens auch Hunde und Katzen) im Krankheitsfall auf diese Antibiotika gar nicht mehr reagieren, sondern schweren Krankheiten einfach ausgeliefert sind. Oberstes Ziel ist, die Wirksamkeit von Antibiotika in der Humanmedizin für die Zukunft sicherzustellen.  Mitte September stimmt das EU-Parlament darüber ab, welche antimikrobiellen Wirkstoffe künftig ausschließlich noch bei Menschen angewendet werden dürfen. Im Wesentlichen geht es um den Einsatz von Fluorchinolonen, Cephalosporinen der 3. und 4. Generation sowie die Einstufung von Makroliden und Colistin. 

Tatsächlich geht es bei dem Gesetzesentwurf eigentlich also lediglich um Antibiotika-Einschränkungen für große Bestände in der Nutztierhaltung, wie zum Beispiel in der Masthaltung. Für den Einsatz bei Rindern, Schweinen, Geflügel und Pferden wären diese Reserveantibiotika dann verboten. 

Aber: In den Verordnungen in der Tiermedizin wird bisher nicht zwischen Haus- und Nutztieren unterschieden, deshalb trifft es bei dem geplanten Anwendungsverbot auch solche Antibiotika, die auch für Tiere von großer Bedeutung sind. Reinhild Benning, Agrarexpertin der Deutschen Umwelthilfe meinte zwar, es sei „beschämend, wie versucht werde, Tierfreunden Angst zu machen und zu behaupten, ihre Katzen oder Hunde würden gefährdet. Das ist nicht der Fall“ . Hier irrt sie allerdings: Tatsächlich bietet die Tierarzneimittelverordnung, die den Einsatz von Antibiotika bei Tieren regelt, bis jetzt gar keine Möglichkeit, zwischen Nutz- und Haustieren zu unterscheiden (Nutztiere werden dabei immer priorisiert, weil sie für den Verzehr der Bevölkerung gedacht sind, also die Gesundheit der Menschen direkt beeinflussen).  

Im Grunde müsste nur der Gesetzestext für die Tierarzneimittelverordnung angepasst werden. Dass die EU-Kommission das allerdings noch rechtzeitig in die Wege leitet, ist ziemlich unwahrscheinlich: Der neue Gesetzentwurf müsste dann wieder zurück an die Mitgliedsstaaten gegeben werden. Juristisch ist das zwar problemlos möglich, aber erfahrungsgemäß nehmen solche Vorgänge zu viel Zeit in Anspruch. Die europäische Tierarzneimittelverordnung soll aber bereits nächstes Jahr in Kraft treten.

Panik ist allerdings noch nicht notwendig. Ob es tatsächlich zu Einschränkungen beim Antibiotikaeinsatz in der Tiermedizin kommen wird, hängt zunächst davon ab, ob das EU-Parlament Mitte September sich tatsächlich hinter das Votum des Umweltausschusses stellt. Falls ja, wird die EU-Kommission entscheiden müssen, ob sie in Zukunft wirklich nicht zwischen kranken Einzeltieren und Behandlung von großen Tierbeständen unterscheiden will. Nachdem die großen Verbände wie der Bundesverband für Tiergesundheit, der Europäisches Tierärzteverbandes und die World Veterinary Association bereits seit Juli massiven Druck machen und Tierärzte ein großer wirtschaftlicher Faktor sind, werden sie dementsprechend sicherlich gehört werden.

Um der EU-Kommission diese Entscheidung leichter zu machen und sie vor einem drohenden Therapienotstand bei vielen Tiererkrankungen zu warnen, wenn die Vorschläge in der jetzigen Form umgesetzt würden, haben der Bundesverband Praktizierender Tierärzte (bpt) und die Bundestierärztekammer (BTK) zu einer Petition bis zum 8. September 21 aufgerufen. Zur Petition geht es hier

Weiterführende Informationen:

Stellungnahme des Bundesverbandes für Tiergesundheit

Stellungnahme des Europäischen Tierärzteverbands (FVE)

Statement der World Veterinary Association (WVA)

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