Mit Hund steht München wirklich ganz oben auf meiner Liste von bevorzugten Städten. Die Leute sind tiefenentspannt, sogar als der kleine weiße Teufel meiner Mutter, ein Bolonka namens Cosimo vor der Haustür einen unschuldigen völlig Fremden anblaffte und ich ihn dafür anschnauzte, meinte der Fremde zu mir „Seien’s doch net so, des macht doch nix!“ Radfahrer werden langsamer, wenn ich durch den Englischen Garten gehe – wobei das auch an Nanos Größe liegen könnte: Da ist der Widerstand doch deutlich schmerzhafter, wenn man gegen einen wie ihn fährt.
Für Nano ist München jedenfalls eine 1A-Therapie. Vor ganz neuen Hunden fürchtet er sich doch noch immer ein bisschen, vor allem vor großen, und bellt sie unsicher an, bis er sie einmal gründlich betrachten durfte. In München gibt es so viele Hunde, dass das Gebelle einfach auf Dauer zu anstrengend wird und er es also sein läßt. Er wird ununterbrochen angesprochen, bewundert, gestreichelt und scheint sich in seiner Popstar-Rolle ziemlich wohl zu fühlen.
Für Hundefreunde ist der Englische Garten ein Hundeparadies – vor allem der hintere Teil hinterm Wehr Richtung Aumeister: Unendlich viel Platz zum Rennen, keinerlei Wild (nur ab und zu ein paar gut genährte, gelassene Polizeipferde), und wirklich jede Rasse, die man sich vorstellen kann: Gestern sah ich die ersten Thai-Ridgebacks meines Lebens. Nano spielt mit allen, findet alle toll, tobt durch die Wiesen und sieht neben Barsois aus wie ein Windspiel.
Er hat sehr gut zugenommen – von den mageren 19 Kilo, mit denen ich ihn übernommen habe, ist er jetzt bei 24 Kilo angekommen: Ein durchtrainiertes Muskelpaket. Ich muss schon beinahe aufpassen, dass ich ihn nicht über-trainiere: Sonst wird der Hund immer stärker und stärker, und der Mensch immer schwächer und schwächer…
Er benimmt sich in allen Wohnungen vorbildlich, ist höflich und freundlich, legt sich auf seine Reisedecke und versucht nur ganz selten, sich auf fremde Sofas zu legen (eigentlich nur bei meiner Mutter, die das auch zulässt, aber die hat auch eine jahrelange, konsequente und hervorragende Grunderziehung genossen, was den Umgang mit meinen Hunden betrifft).
Für Pixel ist der Englische Garten eine Arthormoneller Traum. Er ist mit seinen zehn Monaten so unfassbar pubertär, dass ich dreimal am Tag darüber nachdenke, ihn mit einem Bindfaden an der nächsten Raststätte festzubinden und wegzufahren. War ich bis vor wenigen Wochen der Stern seines Firmaments, sieht er mich jetzt mit leerem Blick an, wenn ich ihn rufe, als hätte er mich noch nie gesehen. Pixel? Nie gehört, das Wort. Er hat nur noch eines im Kopf: Mädels. Dabei ist es ihm völlig egal, ob sie läufig, kastriert, siebzehn Jahre oder drei Monate alt, einäugig oder dreibeinig sind, räudig, reinrassig oder in 38.er Generation durchgemischt: Hauptsache Hündin.
Ein Spaziergang mit ihm steht unter dem Motto „Girls! Girls! Girls!“ (ich hätte ihn Elvis nennen sollen. Mein Fehler.). Sein kleines Hirn wird von Hormonen bestimmt, er läuft nur in meine Richtung, wenn ich ungefähr in der Richtung eines weiblich wirkenden Hundes stehe – ansonsten muss ich, wie gestern, eine halbe Stunde im Schweinsgalopp hinter ihm her rennen, um ihn wieder an mich zu binden.
Das nervt. Dazu kommt, dass er vor lauter Aufregung eine Magenentzündung hat und nicht fressen will. Inzwischen sieht er so aus wie Nano bei seiner Ankunft, nur mit längerem Fell. Wir haben alles versucht – hungern lassen, mit der Hand füttern, Lieblingsessen füttern, verschiedene Trockenfuttersorten, verschiedene Dosensorten, Frischfleisch, gekochtes Fleisch, mit und ohne Gemüse, mit und ohne Zusätze, Fleisch ohne alles (wie wir als Kinder, die sieben Jahre lang immer nur „Nudeln ohne alles“ essen wollten), alles ohne Fleisch. Meine Mutter hat ihm sogar Quiche mit Blätterteig, Ei, Sahne und Rinderhack gemacht. Das akzeptierte er gnädig. Aber wir wollen das nicht einreißen lassen, also bekommt er jetzt Tabletten gegen Magenweh. Hilft ja nix. Zu dünn steht auch keinem. Size 0-Models sind sowas von vorbei.