Ida ist tot.

Gestern musste ich meine braune Pudelin Ida einschläfern.
Sie war zu krank zum leben. Von Anfang an, eigentlich: Als Welpe hatte sie eine Bauchspeicheldrüsen-Schwäche, die kein Arzt diagnostizieren konnte, aber jegliche Nahrung wasser-artig durch sie durchschickte, bis sie fast starb und mir nach Besuchen beim achten oder neunten Tierarzt endlich dämmerte, was es sein könnte. Sie war ein wunderbarer Spielhund, ein wildes Ding, das kaum gesittet einen Fuß vor den anderen setzen konnte, sondern am liebsten über alles drüber sprang – sensationell im Agility, wobei sie trotz meiner sagenhaften körpersprachlichen Fehler von sich aus erriet, was ich meinte, und immer alles richtig machte. Irgendwann im Alter von dreieinhalb Jahren begann sie, stark auf der linken Schulter zu lahmen, und es stellte sich heraus, dass sie so starke Arthrose hatte, dass sie nicht mehr weiter Agility machen durfte. Wir versuchten es stattdessen mit Longieren, aber das langweilte sie: Ida wollte springen. Sie lernte Kunststücke im Nulkommanix, wenn ich nieste und sagte: „Hol‘ mir mal ein Taschentuch“, stapfte sie los und brachte mir eine Packung Tempo-Taschentücher, sie war wunderbar im Sachensuchen und Verstecken.

Sie hat unglaublich abgebaut seit Januar, als ich diesen Film machte. Sie wurde immer grauer, die Arthrose immer schlimmer, sie bekam nebst verschiedenster Behandlungen immer wieder starke Schmerzmittel, gleichzeitig verschob sich ihre Wirbelsäule immer mehr, so dass sie vor einigen Monaten sogar ein neuralgisches Problem im Kiefergelenk bekam (Kiefer = Ende der Wirbelsäule) und nicht mehr kauen konnte. Ein Tierarzt verschrieb ihr zusätzlich zu dem Schmerzittel gegen die Knochenschmerzen Novalgin, sie durfte nur noch Brei fressen – und bekam drei Wochen später eine so starke Hepatitis, dass sie so gelb wurde wie ein Hund aus einem Disney-Film. Danach durfte sie keine Schmerzmittel mehr bekommen. Gleichzeitig baute ihre Muskulatur trotz verschiedener Behandlungen immer mehr ab, bis sie nur noch sehr staksig und schlecht laufen konnte: Schwer, das mit anzusehen, wie ein unglaublich verspielter, agiler, sechsjähriger Hund nur noch wie ein alter Mann gehen kann, zwar mitspielen möchte, aber nicht kann, und begeistert mit auf den Spaziergang mit kommt – aber dann nach 150 Metern doch lieber nach Hause möchte.
Am Wochenende wurde es dann ganz schlecht. Wir waren bei einem weiteren Tierarzt, der sie abtastete, nicht einmal ihre gelenke berührte, nur die langen Röhrenknochen – und sie weinte vor Schmerz. Abends in ihrem Bett schien sie keine Position finden zu können, die ihr gut tat, als ich sie kraulen wollte, knurrte sie leise – um sich sofort dafür zu entschuldigen -, weil es ihr zu weh tat.

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Gestern mittag kam die Tierärztin zu uns nach Hause. Fritz geriet völlig außer sich und mußte ausgesperrt werden. Ida schlief in meinem Arm ein.
Ich hätte noch mal losgehen sollen mit ihr, zu einer ordentlich vergammelten Maus, irgendeinem wundervoll stinkenden Haufen von irgendwas, damit sie sich ein letztes Mal in irgendetwas grauenvoll Riechendem hätte wälzen können. Das wäre ein schöner Abschluß gewesen – eigentlich das Mindeste, was ich hätte tun können. Nur hätte sie nicht mehr so weit laufen können. Vorgestern abend konnte sie sich nicht einmal mehr richtig in der Wiese wälzen, etwas, worauf sie sonst nie verzichtete. Wälzen war Idas Hobby. Neben Springen, Toben, Hüpfen – als sie jung war, nannten wir sie nur „Ida, die Hupfdohle“, weil sie sich hauptsächlich hopsend vorwärtsbewegte.
Sie war ein wunderbarer Hund, immer freundlich und gutgelaunt, immer um mich herum, ganz unabhängig vom Gruppenzwang. Sie hatte keinerlei Jagdtrieb, sondern war allen anderen Tieren gegenüber freundlich und aufgeschlossen, nie wäre ihr in den Sinn gekommen, in ein anderes Tier hineinzubeißen. Sie war nie zickig, nie schwierig, nicht besonders interessiert an fremden Hunden, aber hinreißend mit Kindern. Jedes Zweijährige konnte sie an der Leine führen, weil sie ihr Tempo immer anpaßte. Ida liebte Spaziergänge und Ballspielen, sprang auf alles drauf, raste in riesigen Bögen um mich herum – aber nichts von diesen Dingen durfte sie zum Schluß noch machen. Sie konnte es auch gar nicht; ihr tat einfach jeder Schritt viel zu weh.
Das ist das Blöde, wenn man so viele Tiere hat: Es wird schwer, auf Einzelne angemessen Rücksicht zu nehmen. Hätte ich nur Ida gehabt, hätte ich ihre Spaziergänge ohne Weiteres und ohne viel Aufhebens auf gemütliche 25 Minuten herunterschrauben können – das hätten aber die anderen nicht ausgehalten. Also musste ich immer verschiedene Runden machen, wobei Ida fassungslos war, dass ich sie auf die großen Spaziergänge nicht mehr mitnehmen wollte. Für Ida war Dabeisein sechseinhalb Jahre lang Alles.
Man sollte meinen, ich hätte mittlerweile Erfahrung, Routine gar mit dem Gehenlassen von Tieren. Ist aber nicht so. Ich hänge so sehr ihnen.
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