Eine Sache der Auslegung

bild vom 10. 7.2011

Es war kalt am 30. November letzen Jahres – um die 0 Grad -, als eine beige Mopshündin im Heinersberger Wald bei Rehau in Bayern herumirrte. Nachdem sie dem schwarzen Auto, mit dem sie gekommen war, eine Weile hinterher gerannt war, suchte sie verzweifelt kreuz und quer nach ihren Menschen: Das Ganze konnte doch nur ein Irrtum sein, oder?
Jemand hatte die ganze Sache beobachtet: Ein Irrtum war es nicht. Der Mops war schlicht in dem Waldstück in der Nähe einer Autobahn und einer Schnellstraße ausgesetzt worden. Mitten im Wald, am späten Nachmittag, es war längst dunkel. Bei der Mehrfach-Mopshalterin Katharina V. aus der Umgebung wurde angerufen, ob es vielleicht einer ihrer Möpse, ihr Irrtum gewesen sei. Der Sohn von Frau V. konnte die völlig verstörte Hündin schließlich einfangen und nahm sie mit nach Hause.
Ein paar Tage später stellte sich heraus, wem der Mops gehört hatte: Das Ehepaar M. hatte die Mopshündin am 30. November im Tierheim Hof abgeben wollen, aber weil die Ehefrau plötzlich dagegen zu sein schien, wurde die Annahme des Hundes verweigert. Woraufhin der Mann in den Wald fuhr und das Tier dort sich selbst überließ, was er später seiner Tochter auch zugab. Frau V. zeigte das Ehepaar M. wegen Tierquälerei an.
Vor einigen Wochen stellte die Staatsanwaltschaft Hof das Verfahren ein mit der Begründung, dem Tier sei schließlich nichts passiert, es sei ja schon nach eineinhalb Stunden gefunden worden. Der Ehemann habe angegeben, er habe „sich nicht anders zu helfen gewusst, das ganze Haus sei verdreckt, und seine schwerkranke Frau völlig überfordert.“
Für Menschen mit Sinn für Gerechtigkeit nur schwer nachvollziehbar: Wer sich nicht „anders zu helfen weiß“ und seinen Haushalt nicht in den Griff bekommt, darf ungestraft ein Tier aussetzen – auf die Gefahr hin, dass es elend zugrunde geht? Im Jahr 2000 wurde unser Tierschutzgesetz im Grundgesetz verankert: Tiere sollten nicht länger als „Sache“ behandelt werden. Der Grundsatz des Tierschutzgesetzes lautet: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ Das Problem ist: Beim Tierschutzgesetz gibt es KEINE so genannte Versuchsstrafbarkeit – so, wie auch versuchte Sachbeschädigung keine Straftat ist. Fehlt die (absichtliche) Tötung oder kann Roheit nicht nachgewiesen werden oder sind die Schmerzen nicht andauernd oder wiederholt, so handelt es sich nach § 18 Tierschutzgesetz nur um eine Ordnungswidrigkeit.
In Bayern wird mit Anzeigen wegen Tierquälerei ganz besonders lässig umgegangen. Im Jahr 2004 entschuldigte ein Staatsanwalt das Aussetzen eines Pitbullwelpens bei minus 20 Grad damit, dass die Besitzerin davon ausgehen durfte, dass sich Menschen mit mehr Herz um den Hund kümmern würden, mit dem sie überfordert war (der Hund ist verschwunden: „ Demgemäß muss zu Gunsten der Beschuldigten letztlich davon ausgegangen werden, dass der ausgesetzte Pitbull keine länger anhaltenden oder sich wiederholenden erheblichen Schmerzen oder Leiden erlitten hat“, begründete die Staatsanwaltschaft ihren Beschluß). Ein Esel war „Ehrengast“ einer Feier im Festsaal im ersten Stock einer ländlichen Wirtschaft. Die Partygäste traktierten den Esel mit brennenden Zigaretten und warfen ihn schließlich, als sie seiner überdrüssig wurden, die steile Treppe hinunter: Der Staatsanwalt ließ die Strafanzeige ins Leere laufen. Ganz offenbar ist der Geist des Grundgesetzes, der eine Güterabwägung zwischen dem Tierschutz und anderen Interessen fordert, noch nicht bei allen Staatsanwaltschaften angekommen. Gehen wir zugunsten der Restbevölkerung mal davon aus, dass dies kein Spiegel der dortigen Gesellschaft darstellt.
Mops Lola heißt jetzt übrigens Frida und lebt fröhlich bei Frau V.
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Glück gehabt: Mopsdame Lola bzw. Frida

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