Hundefreundschaften wahren – unter allen Umständen?

Frage: Ich bin momentan Pflegestelle für zwei Labrador-Hündinnen. Sie sind Wurfgeschwister und haben ihr ganzes fünfjähriges Leben lang zusammen gelebt. Eine Familie hat sie damals zusammen gekauft, sie aber nie so erzogen, dass si auch ohne einander zurecht kommen. Sie sind so abhängig von einander, dass ich es für ungesund halte: Wenn man sie trennt, weinen und jammern sie, sie sind einander genug und interessieren sich überhaupt nicht für andere Hunde, geschweige denn, dass sie je mit anderen Hunden spielen. Wenn wir nach einer Adoptiv-Familie suchen, wäre es überhaupt möglich, die beiden zu trennen, oder wäre das vielleicht sogar besser für die beiden? Oder ist der Zug sowieso längst abgefahren?

Werbeanzeige

Antwort:
Ich finde diese Frage hochinteressant. Sie zeigt zuerst einmal, warum man nicht auf die Idee kommen sollte, gleich zwei Welpen aus einem Wurf zu nehmen: Hunde achten normalerweise zuallererst auf einander, bevor sie sich um den jeweiligen Menschen kümmern. Wenn man also zwei Welpen gleichzeitig übernimmt, machen sie sich gar nicht erst die Mühe, wirklich den Menschen verstehen zu wollen (dessen Sprache sie bisher ja nicht verstehen), sondern bonden viel stärker mit einander als mit ihrer Menschenfamilie. Das macht es gewöhnlich ziemlich schwierig, sie zu erziehen – mit dem Ergebnis, dass Hundegeschwister häufig gar nicht erzogen werden.

Soll man diese beiden Labradorhündinnen nun also einzeln oder zusammen vermitten? Ich würde grundsätzlich dafür stimmen, die beiden zu trennen, um ihnen die Chance zu geben, sich an ihren neuen Familien zu orientieren und sich in deren Leben einzufügen. Ansonsten wird man die beiden Hündinnen nie einzeln zum Tierarzt bringen, nie einzeln spazieren führen oder auch nur in verschiedenen Räumen unterbringen können, sollte das jemals nötig sein. Wie viele Menschen wird man wohl finden, die solche Bedürfnisse erfüllen können oder wollen?
Wenn die zwei allerdings getrennt werden und jeweils in ein neues Leben kommen, haben sie von vorneherein die Möglichkeit, sich unter großer Ablenkung daran zu gewöhnen, dass die andere eben nicht in einem anderen Zimmer ist und sie sie suchen gehen muss.

Was passiert, wenn sie getrennt werden?
Ich habe mit einer Mitarbeiterin eines Hamburger Tierheims gesprochen, die in den vergangenen 10 Jahren über 100 Hunde erfolgreich in neuen Familien platziert hat.
„Wir hatten hier zwei Husky-Mischlinge, die zusammen abgegeben worden waren. Wenn sie zusammen waren, waren sie Menschen gegenüber wie autistisch: Es war unmöglich, sie zusammen laufen zu lassen, weil sie zusammen andere Hunde mobbten, jagen gingen oder einfach nicht gehorchten. Wenn man sie in zwei verschiedene Ausläufe setzte, kletterten sie über die Zäune, um zusammen zu sein. Für den Rüden fanden wir schließlich ein Zuhause; die Leute wollten auf keinen Fall zwei Hunde. Den anderen nahm eine Freundin von mir: Beides sind Traumhunde und problemlos zu halten.“
Einen ähnlichen Fall kenne ich von zwei erwachsenen Galgos. Der Rüde hing so an der Hündin, dass er ihr wie ein Schatten auf Schritt und Tritt folgte. Wenn er mit ihr zusammen war, war er freundlich und aufgeschlossen anderen Hunden und Menschen gegenüber. Wenn die Hündin nicht da war, war er so verstört, dass er in Schockstarre fiel und sich praktisch nicht mehr bewegte. Die Hündin war ebenfalls schüchtern und schien abhängig von dem Rüden zu sein. Sie jammerte und bellte, wenn man sie in verschiedenen Zimmern unterbrachte oder man sie ohne den Rüden zuhause lassen musste. Es wurde alles versucht, für die beiden sehr großen Hunde ein gemeinsames neues Zuhause zu finden, was nicht funktionierte. Schließlich wurden sie eben doch getrennt vermittelt. Und siehe da: Beide Hunde blühten ohne einander auf. Nach drei Wochen kam der Rüde immer mehr aus sich heraus und wurde verspielt. Die Hündin brauchte zwar etwas länger, wurde aber mit der Zeit ebenfalls viel sicherer. Die beiden begegnen sich relativ häufig- mit interessantem Ergebnis: Sie begrüßen einander freundlich, aber nicht überschwänglich, und ignorieren einander anschließend mehr oder weniger. Stattdessen sind sie mehr an ihren Menschen interessiert. Offenbar hingen sie vorher aus Unsicherheit so sehr aneinander – nicht aus Liebe, sondern einer Art der Co-Abhängigkeit.
Langer Rede, kurzer Sinn: Nicht alle Freundschaften sind gut für einander, sondern manchmal eher Abhängigkeitsverhältnisse. Damit Hunde in unserer Welt gut zurecht kommen, müssen sie sich stärker am Menschen orientieren, als aneinander. Man schadet Hunden auch nicht, wenn man sie „umorientiert“: Hunde sind unglaublich anpassungsfähig, nur so können sie überleben, und nur dadurch konnte ihre Spezies so lange und so unglaublich gut überleben. In den allermeisten Fällen tut man den Hunden einen großen Gefallen damit, diese übersteuerten Abhängigkeitsverhältnisse zu lösen.

Teilen Sie diesen Beitrag!

2 Kommentare

  1. Also ich finde es ja sehr bemerkenswert, wenn es Menschen gibt, die sich um gestrandete Tiere kümmern. Aber andererseits ganz schön anmaßend, befreundete Tiere zu trennen und es so darzustellen, als ob man den Tieren damit auch noch einen Gefallen tut. Nein, dahinter steckt nur der blanke Egoismus des Menschen. Hach ja, die Hunde sind aufgeblüht, seitdem sie getrennt sind – mag sein, doch nur vordergründig. Hat der Hund denn eine andere Wahl, als sich mit seinem neuen Umfeld zu arrangieren? Wie es tief in den Seelen der Tiere aussieht, verstehen diese Leute nicht. Schon mal gehört, was Gott zusammengeführt hat, soll der Mensch nicht trennen?! Und das gilt auch für Tiere – Merkt euch das !!

    • Ich finde es bemerkenswert, dass Sie ohne die geringste Erfahrung einfach ein solches Urteil und derartige Behauptungen aufstellen, von „blankem Egoismus“ und in Ermangelung von vernünftigen Argumenten sogar den lieben Gott bemühen. Ich bin nicht im geringsten der Meinung, dass man „nicht trennen sollte, was Gott zusammen geführt hat“, denn dann müsste man zuallererst an einen Gott glauben, der zulässt dass im Jahr 140 000 Galgos ausgesetzt, mißbraucht, ausgesetzt, in Tötungen abgegeben, erschossen, erhängt oder verhungert und verdursten müssen – und das würde ein Gott nicht tun, wenn es ihn gäbe. So viele Ehen werden in Gottes Namen geschlossen und laufen auf schwere Mißhandlungen hinaus, die glücklicherweise ganz unabhängig von Gott oder keinem Gott aufgelöst werden. Ich habe viele vermeintliche Hunde“-freundschaften“ erlebt, die keine Freundschaften, sondern Co-Abhängigkeiten waren, und doch: Eben WEIL die zuständigen Menschen sehr genau erkennen konnten, wie es in den jeweiligen Hunden aussah, konnte ihnen sehr gut geholfen werden. Ihre Anmaßung ist wirklich beispiellos – wie allein der letzte Satz der alles besser wissenden, überheblichen Frau Hudov beweist.

Schreibe einen Kommentar zu Katharina Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert