Laßt Pythons sprechen

bildvom 27.6.10
Liebe Leser, heute wende ich mir nur an Sie, nicht an die Leserinnen: Es tut mir beinahe leid, dass ich Sie so verstört habe mit meiner Kolumne über den „Mann als neuen Schoßhund“. Die Zahl der Leser-Mails ist mir über den Kopf gewachsen, und ich könnte meine Wohnung tapezieren mit den Fotos von perfekt aussehendem Grillgut, das mir geschickt wurde, mit grimmig aussehenden Männern mit und ohne Schürze daneben, die Grillzange in der Hand und zum Äußersten entschlossen. Bitte keine Grillfotos mehr schicken! Ab jetzt möchte ich nur noch Bilder von Ihnen beim Baumpflanzen, Speerwerfen, oder beim Ringkampf mit einer Python. Nichts anderes kann mich überzeugen.
Aber insgesamt war in den meisten Briefen ein recht selbstmitleidiger Ton nicht zu überhören: Die Frauen seien schuld (wer sonst). Wir hätten die Männer so lange unterjocht, bis sie sich zur Ganzkörperrasur entschlossen hätten, um es (uns Frauen) endlich recht zu machen. Einer, der sich selbst als „Wolfsrüde“ bezeichnete, litt darunter, dass Frauen darauf bestünden, der männliche Bart müsse „in harten Konturen auf exakte 3mm gestutzt sein“. – Diese Stilvorgaben haben sich keinesfalls Frauen ausgedacht: 3mm-Bartstoppeln pieken wie die Pest und hinterlassen auf weicher Damenhaut unangenehme Rötungen und Kratzer – auf Männerhaut dagegen macht das natürlich nichts. Beautytipps dieser Art stammen aus Gazetten wie „Men’s Health“ oder „GQ“ – und darin ist die Meinung von Frauen gewöhnlich nur im Zusammenhang mit Push-Up-BHs gefragt.
Tatsache ist: Man trifft heute nicht mehr viele Jungs wie Brando, Bogart oder Gable, die sensibel genug waren, eine Kobra zu besänftigen und gleichzeitig hart genug, ein sauberes Loch in die Wand zu bohren. Der moderne Mann kann im Nullkommanix eine Vinaigrette zaubern, aber tropft der Wasserhahn, ruft er den Klempner, und bei merkwürdigen Klopfgeräuschen unter der Motorhaube ist er aufgeschmissen. Nicht nur dann: Nur für ganz wenige bedeutet eine romantische Verabredung noch mehr, als die Angebetete ins Restaurant zu schleifen und anschließend mit Chips vor den DVD-Spieler zu verfrachten. Das zeugt immerhin von Zielstrebigkeit, ausgesprochen männlich ist so was nicht. Wie also wieder hart und charismatisch werden? Damit, sich einen Vollbart wachsen zu lassen, ist es nicht getan. Ein Mann von echtem Schrot und Korn war z.B. der englische Afrikaforscher und Abenteurer Sir Richard Burton, der jahrelang in einem Zelt lebte, einen Speer ins Gesicht bekam, eine lebensgefährliche Malaria auskurierte und es fast bis zur Quelle des Nils schaffte. Dann fuhr er nach Hause, schrieb einen Bestseller und übersetzte das „Kamasutra“.
Egal, auf welche Weise Männer ihre Männlichkeit wieder finden: körperliche Arbeit und Dreck spielen dabei eine wichtige Rolle. Ein Mann, der schmutzig nach Hause kommt ist einer, der die Welt gesehen hat. Dazu braucht er natürlich Beherztheit – wer seinen Hintern nicht hochkriegt, wird die Aiger Nordwand nie erklimmen. Vielleicht gelingt der Gipfelsturm auch nicht auf Anhieb. Aber echte Kerle wissen, dass man auch dann noch viel lernen kann, wenn man scheitert.
Schon klar: Die harten Kerle von einst werden nicht mehr hergestellt. Aber so übel ist das vorhandene Material ja nun auch wieder nicht. Es muss doch etwas zwischen dem Hund von Baskerville und einem Malteser geben.

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