Vor einiger Zeit starb der Hund einer Freundin. Vierzehn Jahre hatten sie miteinander verbracht, sie war schier untröstlich, der Kummer schien unermesslich. Manche Leute versuchten, ihre Hilflosigkeit zu überspielen, indem sie meinten, es sei doch nur ein Hund“ – als könne dieses Argument den Verlust irgendwie schmälern oder die Trauer eingrenzen. Dabei ist es doch so: Vierzehn Jahre – oder elf Jahre, oder auch nur fünf Jahre oder drei – sind eine lange Zeit, um sie mit einem anderen Lebwesen zu teilen. Und es spielt keine Rolle, ob ein Mensch stirbt oder ein Hund: man liebt sie ja doch ganz ähnlich, ganz und gar, in guten wie in schlechten Zeiten, sie begleiten einen durch einen bestimmten Abschnitt des eigenen Lebens, den sie dabei auch stark bestimmen. Und mit ihrem Tod ist auch dieser Lebensabschnitt vorbei, endgültig. Man ahnt gar nicht, wie sehr man sich daran gewöhnen kann, bei Gruselwetter und mitten in der Nacht mit dem Hund `rauszugehen, dass man diese Aufgaben, auf die man oft wirklich gerne verzichtet hätte, vermissen kann, genau wie das Klimpern des Halsbandes oder den Seufzer, den Hunde machen, wenn sie sich im Korb umdrehen. Obwohl man ein Hundeleben lang weiß, dass der Hund früher sterben wird, als man glauben will, ist es immer zu früh. Man muss sich wirklich über sich selbst wundern, warum man sich das eigentlich antut: Sein Herz an ein Wesen zu hängen, dass gerade dann stirbt, wenn man sich richtig aneinander gewöhnt hat.
Als ich klein war, unterstützte meine Großmutter immer mein nicht enden wollendes Bedürfnis nach Haustieren, weil sie fand, es würde mir beibringen, das das Sterben zum Leben gehört. An Fischen und Kaulquappen lernt man das ganz schnell, aber vor allem bei Tieren, zu denen man eine Beziehung aufbaut, tut es richtig weh. Insofern müsste ich ein Experte in Sterbensfragen sein, so viele Tiere verschiedenster Arten habe ich in meinem bisherigen Leben begraben. Und es zerreißt mich jedes Mal wieder, obwohl sie mir längst beigebracht haben, dass das Sterben zum Leben gehört. Vor allem habe ich durch das Leben mit Tieren, aber vor allem Hunden schon als Kind gelernt, ein netterer Mensch zu sein. Wegen meiner Haustiere wurde ich geduldiger, weniger Ich-bezogen, verantwortungsvoller. Wegen meiner Hunde lernte ich, ein anderes Wesen vor meine eigenen Bedürfnisse zu stellen, und das erlebe ich an allen Menschen, die an ihren Hunden hängen. Es muss schwer sein für Menschen, die keine Tiere haben zu verstehen, dass man eine richtige Beziehung zu einem Tier haben kann, besonders zu einem Hund, dessen soziale Bedürfnisse und Gefüge unseren so sehr ähneln. Die Beziehung zu einem Hund ähnelt in vieler Hinsicht der Beziehung zu einem Menschen; man macht den Bogen, den ein Leben macht, nur deutlich schneller mit: Vom ganz jungen Hund, der beschützt, erzogen und geführt werden muss, bis hin zum alten, arthrosegeplagten, schwerhörigen Hund, der Schwierigkeiten beim Aufstehen hat und mit dem die Spaziergänge mehr ein Spazierenwackeln sind, erlebt man alle Agonien und Wonnen, Sorgen und Freuden, Höhen und Tiefen, die Beziehungen – In-Beziehung-zu-jemandem-stehen – eben mit sich bringen. Die Zeiten ändern sich. Die Dinge ändern sich mit ihnen. Und in dem Lauf eines Hundelebens lernen wir, unsere Hunde gern zu haben, obwohl sie nie etwas sagen – manchmal genau deshalb -, obwohl sie uns irre machen und wir zu großen Teilen ihrer Welt nie Zugang haben werden, wir entdecken, was ihnen Spaß macht, was uns an ihnen Spaß macht, und dass da jemand ist, mit dem wir bedingungslos albern und wir selbst sein können. An unseren Hunden lernen wir, besser zu lieben. Klingt ganz einfach, oder? Es kann aber ein Leben lang dauern.
Das Gute an Hunden ist, dass sie sich so sehr lieben lassen. Es ist ein großes Geschenk, wenn man einen Hund hatte, der einen so furchtbar traurig machen kann.