Vortrag auf der Arbeitstagung des VDH in Dortmund

Am vergangenen Samstag war ich eingeladen, vor einem Ausschuß der Vorsitzenden der Zuchtvereine des VDH einen Vortrag über die „Außenwirkung des VDH“ zu halten.
Für diejenigen, die es interessiert, hier der Vortrag, der anschließend sehr diskutiert, aber interessanterweise sehr gut – wenn auch zähneknirschend – aufgenommen wurde:


„Ich wurde gebeten, über die Außenwahrnehmung des VDH zu sprechen. Das kam, weil ich eine neutrale Person bin, die sich mit allen Arten von Hunden beschäftigt, und weil ich grundsätzlich sehr offen und freundlich bin, aber sehr genaue Fragen stellen kann und an den richtigen Stellen gut zuhöre. Ich bin nicht Teil irgendeines Systems, aber ich habe mit Züchtern, Tierschützern und Hundeleuten auf Straße, Feld, Wald und Wiesen zu tun, und weil ich immerzu über genau diese Dinge schreibe, kam ich nicht daran vorbei, bestimmte Zusammenhänge zu sehen.

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Die Außenwahrnehmung des VDHs also.
Die ist nicht besonders gut.

Es ist so: Züchter – die ja sozusagen vom VDH verwaltet werden – werden als Geldmacher auf Kosten der Hunde wahrgenommen, die kranke Hunde produzieren auf Teufel komm raus, die ihren Hunden groteske Schönheits-Championate zumuten und sich kaum um ein anständiges Wesen scheren.
Blöd, was?
Das liegt nicht an den Züchtern allein. Das liegt auch daran, dass der Tierschutz – übrigens weltweit – eine unglaublich starke Lobby hat, und recht laut die Meinung kundtut, dass kein Hund mehr gezüchtet werden dürfe, so lange noch so viele Hunde in den Tierheimen, Tötungsstationen, usw. hocken. Die verbreiten, dass alle Züchter grundsätzlich moralisch verwerfliche Geldmacher sind – ganz unabhängig davon, dass mittlerweile über 48% der Rassehunde längst nicht aus dem VDH, sondern aus unkontrollierten Zuchten kommen oder vermehrt von „Billigzüchtern“ aus dem Ausland importiert werden.

Der VDH hält an diesem Punkt auch nicht laut und deutlich genug gegen. Er tritt viel zu bescheiden auf, um glaubhaft zu sein. Anhand seines Auftretens ist von außen nicht zu erkennen, ob der VDH die Züchter vertritt, oder die „Verbraucher“ – die Hundefreunde, die erst einmal Hilfe brauchen. Der VDH steht für Geschichte, Tradition und Werte – aber die lassen sich schwer vermitteln.
Stattdessen gilt der VDH als verkopft und kühl. Zu abgehoben, zu isoliert, zu wenig Kontakt zur Basis – also zum Hundehalter. Dann finden Gerüchte und böses Nachsagen einen guten Nährboden, dann glaubt man derlei auch gerne mal.
Gerade das, was den Hund für seinen Liebhaber ausmacht – nämlich ein Meer an Emotionen, diese unbeschreiblichen Untiefen der Liebe, dieses absolut un-rationale Gefühl: Genau das lässt der VDH außen vor. Das soll sich jeder Hundefreund selber denken. Es ist aber so: Der Hundebesitzer will und braucht Empathie. Der bei mir beliebteste Tierarzt ist nicht unbedingt Professor Distel aus dem wissenschaftlichen Beirat, der zwar alles weiß – , sondern der, der mir glaubhaft versichert, wie unwiderstehlich er mein Hündchen findet.

Nehmen Sie sich ein Beispiel an den Tierschutzvereinen, deren Wahrnehmung sehr stark ist: Da geht es ausschließlich um Emotionen – um überhaupt nichts anderes, ehrlich gesagt. Traurige Fotos von traurigen Augen, noch traurigere Geschichten – ein Schuft, wer Böses dabei denkt und unterstellen möchte, dass es da oft auch nicht ausschließlich um die Hunde geht, sondern genauso um Macht, Geltungsbewußtsein, Bereicherung an Geldern, usw., wie in manchen Zuchtvereinen ja auch.
Der Außenauftritt von VDH muss also schon in dieser „lobbyistischen“ Hinsicht viel stärker werden. Die Webseite des VDH ist ein guter Hinweis darauf: Unemotional, kompliziert und – verkopft und kühl. Da sind keine warmen Wohlfühl-Videos, keine wunderbaren Hundefotos, keine Geschichten, ich sehe Fotos vom Vorstand, aber ich bekomme keine Informationen über Sie – ich meine: Wer sind Sie denn überhaupt? Haben Sie Hunde? Was für welche? Ich erfahre unglaublich viel Theoretisches, wie es sein sollte, oder sein müsste, ich erfahre sehr viel über Ausstellungswesen. Aber ich fühle absolut nichts auf der VDH- Seite.

Übrigens sind die Ausstellungen mittlerweile ein weiteres Problem für den VDH:
Sie sind für den Normalverbraucher nicht mehr nachvollziehbar.
Momentan wird das Ausstellungswesen von der Zucht getrennt. Ein gutes Ausstellungsergebnis heißt nicht, dass der Hund zur Zucht geeignet ist. – Das ist schwer nachzuvollziehen für den Durchschnitts-Ausstellungsbesucher, der das Gefühl haben MUSS, dass Championate alles bedeuten, weil in den Zuchten von den Champions immer so viel Gewese gemacht wird.

Abgesehen davon sind die Ausstellungen oft nicht gut organisiert. Sie sind schrammelig. Der Besucher sieht nix, weil die Aussteller mit ihren Hunden und Boxen eng um den Ausstellungsring herumsitzen, dass man das Wesentliche nicht erkennen kann als Nicht-Eingewihter, und was die Herrschaften im Ring machen, versteht von außen sowieso keiner: Man hört nichts. Bewertungen finden unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Man lernt nichts auf den Ausstellungen. Stattdessen wird man als Besucher von Handlern abgelenkt, die Stunde um Stunde ihre Afghanen bürsten, ihre Bobtails toupieren, ihre Pudel besprühen, ihre Shi-Tzus ein- und wieder auswickeln, was insgesamt einen wenig artgerechten Eindruck macht auf den Außenstehenden. Wer niemanden kennt, hat das Gefühl nicht willkommen zu sein. Die meisten Besucher kommen, um säckeweise Schweineohren zu kaufen, aber wer sich am Ring über eine Lieblingsrasse informieren will, kommt da nicht weiter: Es ist wie eine Art Geheimclub. Und das machte schon als Kind nur denen Spaß, wenn die dazugehörten.
Ich sehe an den meisten Ausstellungsringen nicht, dass die Leute ihre Hunde lieben. Ich sehe Handler, die sehr grob mit ihren Hunden umgehen (neulich kursierte auf Facebook ein Foto, auf dem ein Handler eines Foxterriers seinen Hund an der Rute und unterm Kinn trug. Na, die Kommentare hätten Sie sehen sollen!), oder die Hunde völlig ignorieren, bis sie dran sind. Und na klar sind das nicht Sie – ich wette, jeder Einzelne von Ihnen hier macht alles richtig und besser -, aber das ist eben so, als würden Sie für die Lehmann Brothers arbeiten: Mitgehangen, mitgefangen.

Man könnte auf Ausstellungen viel mehr das echte Leben mit Hunden beschreiben – nebenbei. Wie werden Blindenhunde ausgebildet? Was sind Besuchshunde, was sind Schulhunde, und wieso wurde der Hund da eben gerade eigentlich Champion, kann mir das mal einer erklären?

Dazu kommt: Der gemeine Hundelaie kann nicht ermessen, ob der VDH auf der Seite der Hunde ist.

An den Punkten, an denen der Laie auch etwas begreift, sieht es in seinen Augen erst einmal nicht so aus. Der VDH wird mittlerweile stark kritisiert, dass er nicht energisch genug gegen Tendenzen wie Qualzucht, Erbkrankheiten oder Übertypisierung vorgeht – nicht erst seit dem unseligen Beitrag im WDR „Rasse statt Klasse“, den vielleicht nicht einmal alle gesehen haben.
Ich weiß und Sie wissen – aber der Normalverbraucher weiß das nicht -, dass der VDH eben „nur“ der Dachverband ist, dessen Strukturen nicht erlauben, einfach einzuschreiten, wenn bei einer Rasse etwas schief läuft. Die Zuchthoheit liegt zunächst einmal beim Verein. Der Dachverband ist KEIN Ministerium mit Aufsichtsfunktion – und ich fürchte, genau da liegt der Hase begraben. Den alten Strukturen des VDH liegt die Annahme – oder die Hoffnung – zugrunde, dass seine Vereine aus guten, hundefreundlichen Menschen bestehen, denen das Wohl der Hunde und die Verbesserung der jeweiligen Rasse am Herzen liegt. In den meisten Fällen ist das auch so. Aber die Erfahrung zeigt mittlerweile leider auch, dass in anderen Fällen eben nicht zutrifft: Da geht es um Profilierungssucht, Machtbewußtsein und – keine Ahnung: Eine verschobene Wahrnehmung. Anders wären Extremzuchten wie Englische Bulldogge oder Mastino Napolitano,- Hunde, die ihre eigentliche Aufgabe nicht mehr erfüllen können – in diesem Ausmaß nicht möglich gewesen.
Aber der Dachverband kann erst mal nichts tun, außer die Vereine gütlich anzustoßen.
Tatsache ist aber auch, dass der VDH in der Vergangenheit immer wieder viel zu langsam reagiert hat. Der Mastino sieht nicht erst seit gestern aus wie eine schwankende Riesenechse, die Englische Buldogge auch nicht.

sc0013626eAlso muss wohl die Struktur verändert werden. Der VDH muss als neutrales Richter-Gremium schneller eingreifen dürfen. Wenn er zu lange zu sehen muss – was ist das Prädikat VDH dann noch wert, wenn Züchter unter seiner ohnmächtigen Aufsicht gegen das Tierschutzgesetz handeln können, VDH-Hunde an die Dissidenz verkaufen oder mit kranken Hunden züchten können und es keinerlei Folgen für den Züchter hat, weil der Verein ihn deckt?

Ich habe gerade im Rahmen einer Reportage monatelang Rassen recherchiert. D.h., eigentlich habe ich die verschiedenen Vereine recherchiert. Ich habe nach Erbkrankheiten gefragt, ich habe nach Gesundheitsstrategien gefragt, und nach und nach bekam ich immer mehr Post, immer mehr Emails, alles unter der hand, alles inoffiziell. Auf einmal kam ich mir vor, als hätte ich eine Dose Würmer aufgemacht, die ich dann nicht mehr zubekommen habe. Natürlich gibt es viele Positivbeispiele von Zuchtverbänden, sie sich sehr realistisch mit den Problemen ihrer Rasse auseinandersetzen und die notwendigen Informationen ganz öffentlich kommunizieren. Aber in vielen Vereinen ist die Hölle los. Die mobben einander, wenn einer eine unbequeme Wahrheit aufdeckt, gehen aufeinander los, decken Katastrophen, erpressen einander. (Mein Bruder ist TV-Produzent, ich werde ihm demnächst eine Vorabend-Serie im Inneren des Hundewesens vorschlagen: Wenn man mit einer Krankenhaus-Serie die Leute unterhalten kann, dann erst recht mit einer Inside-Story aus dem Hundewesen. Das wird ein Hit, da bin ich sicher: Die Mafia-Serie „Die Sopranos“ war nicht halb so unglaublich – die italienischen Mafiosi halten wenigstens zusammen.) Bei einer Vereinsversammlung vor Kurzem haben sich die Mitglieder geprügelt, so dass die Polizei kommen musste. – Das waren übrigens keine Schutzhund- oder Listenhunde-Züchter, denen man gerne eine gewisse Aggressionsbereitschaft unterstellt, ganz im Gegenteil. Auch der Unterschied zwischen dem, was über die Häufigkeit bestimmter Erkrankungen von Züchtern bzw. Zuchtverbänden zugegeben wird und der tatsächlichen Häufigkeit ist oft gewaltig. Manche machen sich allein aufgrund der Art, wie sie auf Nachfragen reagieren, umgehend verdächtig, weil man einfach keine klare Antwort bekommt, oder der Befragte auf eine Art und Weise in die Defensive geht, als habe ich ihn nach seinem persönlichen Ehebruchs-Muster befragt – nicht gerade eine vertrauensbildende Maßnahme. Wenn mir die Vereine keine Antwort auf Fragen nach Erbkrankheiten geben, wer denn dann? Kein Wunder, wenn das Gerüchten Nahrung gibt. Als ich bei einem Verein die Hauptzuchtwartin fragte, warum ein bestimmter Züchter nicht aus dem Club geworfen worden sei, der nachweislich mit Epilepsie-belasteten Hunden züchtete, antwortete sie mir, dass sei in den Vereins-Richtlinien nicht vorgegeben, und außerdem sei es die Schuld des Dachverbandes, der ihnen zu lange Zeit gelassen habe, die neuen Zuchtordnungen durchzusetzen.

Hallo?
Ich finde das super. Ich hätte auch gerne einen VDH hinter mir, den ich für meine Unzulänglichkeiten verantwortlich machen kann.

Ich glaube, die Veränderungen müssen schon in den Vereinen anfangen. SIE sind ja im Grunde der VDH. In einigen von ihnen scheint es zuzugehen wie in Berlusconis Italien: Da herrscht Vetternwirtschaft, man tut sich gegenseitig Gefallen, und man drückt schon mal ein Auge zu, wenn die Haltung der Hunde bei einem Züchter nicht so optimal ist, weil man die Welpenstatistik im Auge behalten muss und der betreffende Züchter schon so lange züchtet, eigentlich gute Hund hat, und außerdem viele Freunde im Club.

Ich glaube, es wäre notwendig, in den Vereinen mehr „neutrale“ Personen mit Ämtern zu betrauen. Dass in den Vereinen nur Züchter mit Züchtern kommunizieren, wird zum großen Problem der Züchter: Die haben sich längst an die Probleme ihrer Rassen gewöhnt. Es müssen Leute dazu, die keine eigenen Interessen an der jeweiligen Rasse haben, außer, dass sie die Rasse mögen, . Nicht-Züchter, sich trotzdem mit der Rasse auskennen. Die Zuchtwarte sollen ihrerseits andere Rassen halten (meinetwegen aber ähnliche), damit wirklich Neutralität gewährleistet ist.
Die Erwartungshaltung des Laien, der Vereine und der Züchter an den VDH ist die eines Übervaters, der alles auffängt, alles rettet. Um diese Erwartungshaltung wenigstens im Ansatz erfüllen zu können, muss sich die Strategie des VDHs ändern. Eigentlich beinahe einfach.

Die Öffentlichkeitsarbeit des VDH muss zusätzlich viel „kundenorientierter“ werden. Seien Sie weniger bescheiden! Ich will als Erstes vom VDH eine Stellungnahme zu den idiotischen, willkürlichen Rasse-Gesetzen lesen, auf der ersten Seite. Am besten ein Interview mit einem Staff-Züchter und Fotos von seinen Hunden im Spiel mit seinen Enkelkindern. Ich will einen interaktiven Kinderbereich. Ich will LAUT und DEUTLICH lesen, dass dem Englische Bulldoggen-Verein die Zuchthoheit abgenommen wurde. Jippieh! Das haben sich so viele so lange gewünscht. Das ist ein deutliches Signal – aber irgendwie findet das auf der Website unter „ferner liefen“ statt, beiläufig, kleingedruckt und ohne weitere Erklärung. Wer über die Bulldoggen-Geschichte allerdings nicht genau Bescheid weiß, wird hier auch nicht schlauer. Das ist eine verpasste Chance!  Ich will von Ihnen ohne großen Such- Aufwand erfahren, dass der VDH mit der GfK, der Gesellschaft für kynologische Forschung zusammen arbeitet, oder dass aus nur ganz wenigen Ländern Initiativen für Gesundheitsforschungen kommen und Deutschland da tatsächlich weit vorn liegt, ja sogar viele Länder von uns profitieren. Ich will von Ihnen hören, dass Sie sich mitsamt des wissenschaftlichen Beirats da längst eine Riesenmühe machen. (Ich weiß das, weil ich Herrn Professor Friedrich und Herrn Meyer seit Monaten mit unendlichen Fragen auf die Nerven gehe. Dabei bin ich ein guter Rechercheur: Ohne Hilfe wäre ich aber nicht schlau geworfen.) Ich will auf der VDH-Seite ohne viel Gesuche lesen, dass die FCI ab 2012 Einkreuzungen innerhalb der Varietäten einer Rasse genehmigt, und was das überhaupt bedeutet -für die Zucht, für die Hunde, fürs Rassewesen an sich! Ich will von Ihnen eine Stellungnahme lesen, wie die Geschichte mit dem Duck Toller-Züchter Däuber in Wirklichkeit aussah, und nicht so, wie er es überaus Marketing-begabt überall behauptet. Edel schweigen führt in diesen unseren Zeiten nicht weiter, sondern in den Abgrund. Der VDH macht so viele gute Sachen, die aber fast alle unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfinden. Sie müssen das ändern – nach dem Motto: „Tue Gutes und rede drüber!“

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.“

Zeichnung: Loriot – aus: Menschen, Tiere, Katastrophen

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