Walking in the Rain

aus: DOGS Nr. 2/März-April

Es gibt durchaus Momente im Leben mit Hund, die bei den Beteiligten nur wenig Heiterkeit und Begeisterung hervorrufen. Hundebesitzer kennen das. Gemeint sind z.B. Spaziergänge bei Eiseskälte oder strömendem Regen. Es ist nicht so, als hätte man es vorher nicht gewusst: Als man sich für den Hund entschied, lebte man ja auch nicht in wärmeren, trockeneren Gefilden als heute. Aber wie das eben mit Vorausplanungen so ist – man denkt immer an lange, entspannte Spaziergänge im T-Shirt bei idealen Wetterbedingungen, in denen weder Zecken, noch Grasmilbenallergien vorkommen, und blendet ungefähr fünf Monate des heimatlichen Klimas einfach aus. Die Zeiten nämlich, in denen es früh dunkel wird oder in denen man bei bitterer Kälte nachts noch mal auf die Straße muss, oder die Zeiten, in denen das Hund aufs Klo muss, obwohl es aus Kübeln schüttet.
Dabei sollte man wissen, dass es ab dem Augenblick, in dem man einen Hund bekommt, viel mehr regnet, als jemals zuvor in der persönlichen Geschichte. Mit Hund zieht man Regen geradezu an, auch in Jahreszeiten, in denen Frauenzeitschriften bereits ausschließlich die neuesten Bikinis und Espadrilles propagieren. Man kann mit Hund in die Sahara reisen, und es wird sogleich anfangen zu regnen. Das ist wissenschaftlich nicht zu erklären, sondern nur eine weitere Ungerechtigkeit, die Hundehalter befällt. Immerhin: Der einzige andere Mensch, den man bei Regen im Park trifft, ist auch ein Hundehalter. Soviel ist sicher.
Wer Glück hat, besitzt einen Hund, der Regen genauso hasst wie man selbst. Meine Großmutter hatte so einen Dackel: WennDogsInRainBody der feststellte, dass die Luftfeuchtigkeit außer Haus mehr als 98% Prozent betrug, musste er plötzlich nicht mehr aufs Klo. Wenn ihr die Witterung nicht entsprach, konnte Bautzi volle drei Tage anhalten.
Andere Leute haben da weniger Glück. Meine Hunde beispielsweise finden zwar den ersten Tag Regen auch ausgesprochen unangenehm, hüpfen sozusagen auf Zehenspitzen um Pfützen und Matschkuhlen herum und absolvieren die Spaziergänge bei Regen generell mit leicht verkniffenem Gesichtsausdruck etwas zügiger. Die beiden Windspiele verlassen das Haus wenn es regnet sowieso nur in Regenmänteln und sind überhaupt der Meinung, ich wäre fraglos in der Lage, das Ganze irgendwie abzustellen, und es wäre nur wieder eine weitere gemeine Idee, die mein menschliches Hirn regelmäßig hervorbringt (wie auch, Hundefutter nicht den ganzen Tag lang in unbegrenzten Mengen frei verfügbar zu machen), um sie zu piesacken; immerhin sparen die Regenmäntel die Zeit, die ich sonst anschießend zum Abtrocknen bräuchte. Mein großer Pudel Luise dagegen hält Wasser für ihr Element, egal, ob von unten oder von oben. Der Chihuahua-Mix George scheint zu fürchten, dass er in Pfützen ertrinkt, dreht sich beim Geräusch von Regen auf dem Absatz um und verschwindet im Bett unter den Decken. Ich wünschte, ich könnte es ihm gleichtun.
Bei fortdauerndem Schlechtwettereinbruch tritt bei Hunden allerdings bald die Gewöhnung ein; Pfützen werden lässig durchtrabt, Matsch und Sand dienen einer ausgefeilten Camouflage-Panade, und die Hunde lassen sich beim Inspizieren der Umgebung ebenso viel Zeit, als herrsche strahlender Sonnenschein.
Im Gegensatz zu ihrem Begleitmensch eröffnen sich Hunden ja auch völlig andere Perspektiven: Jeder Spaziergang ist für sie ein Abenteuer und ihr kreatives Outlet, jeder Grashalm bietet Würze und Ablenkung. Während für den Mensch – besonders bei Regen – jeder Baum dem nächsten gleicht, ist er für den Hund das Äquivalent eines iPads, sein Facebook, an dem er Nachrichten hinterlässt, flirtet, mit seiner Manneskraft protzt und ähnliche Angaben anderer Rüden in der Nachbarschaft unleserlich macht. Ich dagegen starre in die Pfützen, kämpfe gleichzeitig mit dem Regenschirm und mehreren Leinen, spüre, wie meine Frisur sich unvorteilhaft verändert und frage mich, warum ich eigentlich nicht lieber Katzen halte – die bleiben bei Regen nämlich zuhause und sehen sich die Bescherung vom Fensterbrett aus an -, oder noch besser: Ein Aquarium.

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Stattdessen gebe ich nach einem kurzen Spaziergang um den Block den traurigen Hundeaugen und meinem schlechten Gewissen nach und baue ausgeklügelte Spring-Parcours im Wohnzimmer auf, packe die pädagogisch wertvollen Holzspielzeuge aus, wälze Kunststück-Bücher und trainiere mit meinen Hunden, Autos über den Parkettboden zu schieben und mit gesenktem Haupt Abendgebete zu sprechen. Warum kann man eigentlich Hunde bei Regenwetter nicht einfach auch mal mit „Urmel aus dem Eis“ von den Fernseher setzen? Eltern machen das doch auch. Ich dagegen werde,
wenn das mit dem Wetter so weitergeht, mit meinen Hunden bald im Zirkus auftreten können. Das werde ich als Nebenjob auch tun müssen, denn das Regenwetterprogramm kostet mich so viel mehr Zeit wie ein normaler Spaziergang, dass ich meinem normalen Tagwerk kaum noch hinterher komme.
Eine andere Lösung wäre natürlich umzuziehen. Ich habe gehört, auf Bora-Bora ist es warm, trocken und schön.
Ich geh‘ dann mal packen.

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