Zusammen ist man weniger allein

Foto: Debra Bardowicks, www.animal-photography.de
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Hundespaziergänge sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Als Thomas Mann seinen Spaziergang mit seinem Hühnerhund Bauschan in „Herr und Hund“ beschrieb, hatten Hundespaziergänge noch eine höhere Bedeutung: Eine Art Dialog zwischen Mensch und Tier, eine Möglichkeit, den Blick auf den Horizont zu richten, das Hirn frei und zur Besinnung zu kommen. Die Zeiten sind vorbei. Das klassische urbane Bild eines ungeduldigen Menschen, der auf seinen trödelnden Hund wartet, der seinerseits völlig in die olfaktorischen Botschaften an Laternenpfählen vertieft ist, gibt es nicht mehr: Stattdessen sieht man nun Hunde, die sich ungeduldig nach ihren trödelnden Menschen umdrehen, die völlig die in Botschaften vertieft sind, die sie aus dem kleinen Knopf im Ohr erhalten. Neulich ging ich morgens früh spazieren, mit meinen Hunden spielend und sozusagen der Welt entrückt, als ich plötzlich eine Stimme hörte. Ich erspähte den Kopf eines Mannes, den ich von den täglichen Hundespaziergängen kannte. Wie ich war er oft sehr früh mit Hund in einsamem Gelände unterwegs, wir hatten uns schweigend zugenickt. Ich hatte ihn für einen Einzelgänger gehalten, ein bisschen misanthropisch, ein Typ, der allein in der Natur sein wollte. Stattdessen stand er jetzt vor mir, bis zu den Ohren im Schilf, plappernd wie ein Teenager auf dem Schulhof. Ich sah ein weißes Kabel von seinen Ohren baumeln. Er war so abgelenkt, dass er mich gar nicht bemerkte, und sein Hund, der uns längst begrüßt hatte, machte sich nicht die Mühe, ihn auf uns aufmerksam zu machen.
Hundespaziergänge sind mittlerweile zur Handygesprächspartie geworden: eine Hand haben Hundebesitzer ja schließlich noch frei. Als monologisierende Autisten marschieren sie durch Straßen und Parks, blind und taub für andere Menschen, Hunde, oder die Dinge, die ihr Hund unterwegs erlebt. Manchmal sieht man sie von Weitem und glaubt, sie reden intensiv auf ihren Hund ein – stattdessen sind sie im Dialog mit einem Unsichtbaren, demgegenüber es natürlich sehr unhöflich wäre, wenn sie ihren Hund ansprechen, gar mit ihm spielen oder ihn an irgendetwas hindern würden. Der Hund bleibt sich völlig selbst überlassen, als wären sie nur zufällig zusammen auf diesem Weg unterwegs. Einmal sah ich eine junge Mutter, die gleich vier Sachen auf einmal machte: Sie joggte, während sie einen Kinderwagen schob, ihrem Handy lauschte und ihren Hund an der Leine hinter sich herzog, der ganz woanders hin sah. Auf der Wiese spielte ein Junge mit seinem Hund Frisbee. Sie boten ein fabelhaftes Schauspiel, der Junge warf die Scheibe fantastisch hoch und gerade, der Hund fing sie immer in genau dem richtigen Moment mit elegantem Hochsprung auf. Als sie den Park verließen, lief der Hund durch und durch zufrieden neben dem Jungen her, Kopf und Rute hoch aufgerichtet, und ließ ihn nicht aus den Augen.
Ich finde ja immer, dass Hunde einem viel über das richtige Leben beibringen. Für eine gute Beziehung muss man sich regelmäßig Zeit füreinander nehmen, die nur dem anderen gehört: Sonst wird man irgendwann zu den Paaren, die ihre Gemeinsamkeiten vergessen haben und sich dafür aufs Fernsehprogramm berufen müssen. Ich persönlich höre auch nur auf die, die regelmäßig mit mir spielen.

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bildvom 5.6.2011

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