Was wir aus Liebe tun

bildvom 25.4.10

Der Unterschied zwischen Katzenmenschen und Hundeleuten ist der, dass Katzen Privatsache, Hunde dagegen eine öffentliche Angelegenheit sind. Um jemandem Ihre Katze vorzustellen, müssen Sie ihn schon in Ihren persönlichen Bereich einladen. Ein Hund dagegen wirkt wie ein ergänzendes Körperteil, ein Statement Ihres Selbstbildnisses. Mir ist schon nachgesagt worden, ich würde arrogant und unzugänglich wirken, was wahrscheinlich nur mein kläglicher Versuchs ist, kultiviert und unabhängig zu wirken. Es ist allerdings völlig unmöglich, unzugänglich, unabhängig oder kultiviert auszusehen, während man einem Tross gutgelaunter Hunde durch den Straßenverkehr folgt. Ehrlich gesagt: Wenn man mit Hund spazieren geht, ist man nicht mehr als das Mittel, durch das der Hund sich der Welt präsentiert.
Luise hat Glück, das sie so schön ist. Es klingt vielleicht doof, aber es ist nicht leicht, auf eine so prachtvolle Kreatur jemals böse zu sein. Wenn ich mit ihr spazieren gehe, bekomme ich ein Gefühl dafür, wie es sein muss, mit einem Prominenten verheiratet zu sein. Menschen halten mitten auf der Straße ihre Autos an und rufen, „Was für ein schöner Hund!“ Fremde Ballettregisseure gehen im Park vor ihr auf die Knie und sagen: „Die weiß genau, wie schön sie ist!“, während Luise ihren Diva-Blick in die Ferne gerichtet hält – übrigens nicht, weil sie Zuneigung von Fremden gewohnt ist und sich nicht darum schert, sondern, weil sie den Horizont nach Kaninchen abscannt. Kinder bleiben stehen und wollen sie streicheln, ältere Leute beugen sich zu ihr herunter und sagen immer: „Ein Königspudel! Ich hatte auch einen Königspudel als Kind!“ (Ich frage mich manchmal, wo die ganzen Pudel seitdem geblieben sind, ob irgendwann die Botschaft ausgeben wurde: „Bloß keinen Pudel mehr anschaffen! Neben denen kann man nicht bestehen!“)
Eines Tages sprach mich ein alter Herr an mit einem noch älteren Schnauzer. Er gratulierte mir zu meiner Vierbeiner-Ansammlung und sagte ernst: „Sie machen einem nichts als reinste Freude.“ Sein steinalter Hund sah mich aus halbblinden Augen an, Reste von getrocknetem Futter im Bart, hob das Bein und pieselte einen gelben Urinstrahl an sein rechtes Vorderbein. „Reinste Freude“ wäre in diesem Fall nicht meine primäre Gefühlsregung gewesen. Aber meine Hunde sind noch jung und furchtbar vital, und die meiste Zeit machen sie wirklich viel Freude, senken meinen Blutdruck und reduzieren meine Streßhormone, alle diese Dinge, weshalb Hundehaltung so gut sein soll.
Ich war allerdings doch froh, dass ich keinen Blutdruckmesser am Arm hatte, als mein Reservepudel Ida neulich aus dem Gebüsch kam. Ich will nicht beschreiben, was sie ganz offensichtlich gerade gefressen hatte, aber ich versichere Ihnen: Hundehaufen sind in Großstädten wirklich nur das kleinere Problem.
Meine Pudel haben Augen, für die Nofretete blass vor Neid geworden wäre, aber dafür einen perversen Appetit. Hunde mögen ja Aasfresser sein, aber müssen sie in der Auswahl von Aas so völlig wahllos sein? Meine Herzfrequenz vervierfachte sich neulich, als ich bei einem kleinen Spaziergang um den Block bemerkte, dass mein Windspiel Fritz auf irgendwas begeistert herumkaute. Ich klappte seine Kiefer auseinander und zog ein benutztes Kondom aus seinem Maul. Wie kann es sein, dass eine Spezies in ihrer Evolution so unglaublich erfolgreich war, aber nicht versteht, dass es eine blöde Idee ist, Kondome zu fressen?
Seitdem zweifle ich – nicht so sehr daran, ob ein Leben mit Hunden an sich eine gute Idee ist, aber ob ich wirklich in dieser Gegend wohnen bleiben sollte.

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