STINKTIERE

Sie wälzen sich in Aas, Gülle und Exkrementen. Wenn Vierbeiner sich am Hals, Schulter und Nacken parfümieren, rümpfen ihre Halter die Nase und fragen sich: Warum tun Hunde das?

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Obwohl viele Leute ihre Hunde für ihr besseres Selbst halten, pflegt der beste Freund ds Menschen Hobbys, bei denen die Freundschaft abrupt aufhört. Dazu gehört z.B. das begeisterte Wälzen in Aas oder Exkrementen. Das menschliche Entzücken hält sich in Grenzen, wenn unser Hund sich in grün schillernde, vor acht Wochen verstorbene Fischen wirft. Es macht auch wenig Spaß, mit einem Hund im öffentlichen Bus fahren zu müssen, der sich bei einem langen Spaziergang zumindest teilweise mit einer zwei Zentimeter dicken Schicht Fäkalien eingeschmiert hat.

Es gibt die unterschiedlichsten Theorien, warum Hunde das tun, aber keine befriedigenden Lösungen. Schon gar nicht solche, die den Hunden einzuleuchten scheinen.

Manche Leute behaupten, das Aaswälzen weise auf Mängel in der Ernährung hin; der Hund würde versuchen, fehlende Bakterien oder Enzyme sozusagen „von außen“ aufzunehmen. Zweimal in der Woche ein überreifer Handkäse, und die Sache erledige sich von selbst. Tierärzte bestätigen diese Theorie allerdings nicht. „Es gibt keine Hinweise darauf, dass das Wälzen in Kot oder Aas etwas mit Verdauungs- oder Ernährungsstörungen zu tun hat“, so Dr. Petra Kölle vom Lehrstuhl für Tierernährung der Universitäts-Tierklinik in München. „Das Verfüttern von Limburger Käse oder Ähnlichem hilft da nicht.“ Was wirklich schade ist: Es wäre so schön einfach.

Die andere Idee, Hunde würden sich in Aas wälzen, um sich „zu tarnen“, damit Feinde oder Jagd-Konkurrenten sie nicht wittern, macht auch wenig Sinn: Dann müssten Jagdhunde vor der Jagd geradezu Wälz-Orgien feiern. Oder aber die Hunde, die sich besonders oft und gern wälzen, müssten auch einen ausgeprägten Jagdinstinkt zeigen: Das ist aber nicht so. Selbst unter Möpsen, die etwa soviel Jagdtrieb aufweisen wie ein Stuhlbein, gibt es ausgesprochene Stinkstiefel. Und ich selbst kannte einen Deutsch Drahthaar, der bei Wind und Wetter jegliches Wild apportierte, sich aber niemals die Schulter oder den Halsbereich vorsätzlich parfümierte.

Tatsächlich ist das Wälzen ein Erbe der Wolfs-Vorfahren, ein Beweis dafür, dass Hunde bei aller Liebe eben doch keine kleinen, haarigen Menschen sind.

Der Kynologe Günther Bloch, der seit 1977 das Verhalten von Haushunden studiert und seit 1991 Forschungsprojekte mit freilebenden Wölfen in Polen und Kanada leitet, hat unterschiedliche Auslöser für das Wälzen bei Wölfen bemerkt: „Wir haben bei unseren Wolfsforschungen beobachtet, dass sich einzelne Wölfe in Kadaver wälzen, anschließend gezielt zu anderen Familienmitgliedern laufen und von denen dann interessiert beschnuppert werden – anschließend folgen diese Familienmitgliedern dem Individuum zum Beutetier-Kadaver“, berichtet Bloch. „Ich konnte es anfangs selbst nicht glauben.“ Hundehaltern, die erlebt haben, dass ihr Hund ihnen im Winter eine Art „Schonzeit“ einräumt und sich praktisch nie wälzt, stimmt Bloch zu: „Interessanterweise erfolgten auch unsere Observationen fast ausschließlich im Sommer, so dass vermutlich ein Einzelwolf aufgrund der Präsenz von Fressfeinden (in Kanada Pumas, Grizzlies und Schwarzbären) sozusagen aus Eigeninteresse lieber „familiäre Verstärkung“ holt, anstatt die Nahrungsquelle eben wegen dieser Fressfeinde aufgeben zu müssen.“ Im Winter bekam er derlei fast nie zu sehen: „Im Winter ruhen die Bären eben in ihren Höhlen und tauchen nicht an Kadavern auf.“

Auch die Behauptung, das Wälzen habe etwas mit Imponiergehabe oder Sexualverhalten zu tun, muß als kesse These betrachtet werden: Auch kastrierte Hunde – selbst jene, die kastriert wurden, bevor sie geschlechtsreif wurden – wälzen sich mit ungeheurer Begeisterung. Es sind mitnichten erogene Zonen, die sie dabei parfümieren, sondern normalerweise der Hals- und Schulterbereich. Wenn sie tatsächlich Rücken- oder Schwanzwurzel erwischen, dann eher zufällig. Wenn sie danach mit vergnügtem Gesichtsausdruck zu uns zurückgaloppiert kommen, dann deshalb, weil sie den phänomenalen Gestank gerne mit uns teilen wollen: „Es hat sicherlich auch etwas damit zu tun, sich „interessant“ machen zu wollen“, sagt die Verhaltenswissenschaftlerin Dr. Dorit Feddersen-Petersen. „Es ist schwer, das wissenschaftlich zu beweisen, aber meinem Gefühl nach scheinen junge Hunde bis zum Alter von etwa drei, vier Jahren und Hunde, die einen niedrigen Status haben, sich öfter zu wälzen, als ältere oder sehr selbstbewußte Hunde. Die, die „es nötig“ haben, versuchen also, sich durch einen phänomenalen Duft aufzuwerten“

Tatsache ist auch, „dass sich gemeinsam an Beutieren versammelte Wölfe oft nacheinander ausgiebig in einem Kadaver wälzen“, hat Günther Bloch beobachtet, „wodurch der ganze Clan gleich riecht und sehr wahrscheinlich auch ein Zusammengehörigkeitsgefühl zum Ausdruck bringt.“ – Dass unsere Hunde sich bei ihrem Wunsch nach „gesamteinheitlicher Kommunikation“ nicht lieber in Chanel No.5 wälzen, sondern stattdessen offenbar von uns erwarten, es Ihnen gleich zu tun und uns in halbverwesten Maulwürfen zu aalen, ist ein Zeichen dafür, dass sie sich eben doch nicht so vermenschlichen lassen, wie wir es immer wieder versuchen.
Dementsprechend kann man seinen Hund dafür auch nicht bestrafen: Selbst wenn Golden Retriever oder Malteser nur noch bruchstückhaft die Zusammenhänge wölfischen Verhaltens zeigen, gehört das Wälzen nun mal zu ihrer biologischen Natur. Es ist eine instinktive Sache, eine Art Reflex – eine Strafe ist für den Hund so unlogisch, wie ihn fürs Beinheben am Laternenpfahl zu strafen. Man kann seinem Hund nur beibringen, wirklich zuverlässig auf „Hierher!“ zu gehorchen, und ihn bei Spaziergängen genau beobachten, damit man ihn, sobald er auf bestimmte Art verdächtig lange an einer Stelle herumschnüffelt, abrufen kann, bevor er mit dem Vorderbein einknickt, um Schulter und Hals auf der müffelnden Stelle zu reiben. Wenn er kommt, werfen Sie ihm stattdessen einen Ball oder ein Frisbee, rennen Sie mit ihm davon – und freuen Sie sich darüber, dass die Instinkte Ihres Hundes noch funktionieren. Wenn Sie das nicht können, trösten Sie sich mit einem Goldfisch.

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