Wenn die Angst mitfährt

bildvom 24.1.2010
Die Angst vor Gewalt in Bussen und Bahnen wächst – und mit ihr der Druck, die Sicherheit in öffentlichen Verkehrsmitteln und U-Bahnhöfen zu verbessern. Die Angst, überfallen und verletzt zu werden, treibt so manchen dazu, lieber zu Fuß zu gehen. Das können die Verkehrsunternehmen nicht hinnehmen: „Das Risiko, Opfer einer Gewalttat zu werden, war und ist aber in Bussen und Bahnen nicht höher als anderswo“, versichert ein Sprecher des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen. Aber die aktuelle Gewaltdebatte führt dazu, dass neue Sicherheitskonzepte diskutiert und umgesetzt werden. Allein in Berlin gab es im vergangenen Jahr rund 3000 Fälle von Körperverletzungen in Bussen und Bahnen. Parteien und Verkehrsunternehmen diskutieren Waffenverbote und Polizeieinsätze: Es wird auch Zeit. Null Toleranz! Und endlich ist der erste Schritt getan: Seit dem 1. Januar müssen in Berlin alle Hunde Beißkörbe in öffentlichen Verkehrsmitteln tragen.
„Die Eskalation der Gewalt in Bussen und Bahnen erfordert entschiedenes Handeln!“ forderte der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion Frank Henkel. Mit dem Maulkorbzwang wurde das Problem in der Tat ganz entschieden an den Wurzeln gepackt, oder etwa nicht? Auch wenn es im vergangenen Jahr nicht einen einzigen Vorfall in Berlin mit Hunden in öffentlichen Verkehrsmitteln gab, ist es doch auf jeden Fall besser, man verhindert das Übel, bevor es stattfinden kann! Wenn die Hunde ab jetzt in Bussen und Bahnen schon mal unter Kontrolle sind, fühlt man sich doch gleich viel sicherer angesichts des zunehmenden Brutalisierungstrends. Es ist bestimmt nur noch eine Frage der Zeit, bis man auch irgendeine ähnlich effektive Lösung für Jugendliche parat hat.
In der Zwischenzeit verleiht das neue Gesetz den Fahrern öffentlicher Verkehrsmittel ein lang vermisstes Gefühl, ihrer Ohnmacht wieder entkommen zu können, wieder so etwas wie Kontrolle über die Situation bekommen zu haben. Neulich wollte eine Freundin von mir mit ihren beiden Möpsen Luise und Edda Straßenbahn fahren. Luise und Edda sind sehr kleine, ältliche Hundedamen, deren Taillenumfang ein sicherer Hinweis darauf ist, dass sie lieber ihre Zähne in Kekse als in Hosenboden sinken lassen. Man muss Möpse nicht hübsch finden, aber Tatsache ist: Luise und Edda sehen ganz und gar harmlos aus.
Die Straßenbahnfahrerin fand das nicht. Es waren nur wenige Tage seit dem 1. Januar vergangen, und meine Freundin wusste von der Verordnung nichts. Sie hatte keinen Maulkorb dabei. Tatsächlich gibt es keine Maulkörbe für Möpse, weil deren Kiefer so gebaut ist, dass kein Maulkorb darauf hält – und sie mit dieser Physiognomie sowieso nicht zubeißen können.
Der Straßenbahnfahrerin war das egal. Sie sah ihre einmalige Chance, der Gewalt in öffentlichen Verkehrsmitteln vorbeugen und dem Senat dienen zu können, und die wollte sie nicht ungenutzt verstreichen lassen. Sie warf meine Freundin aus der Straßenbahn.
Ich habe meiner Freundin nun geraten, den Möpsen Maulkörbe aus BH-Körbchen zu basteln. Möglichst aus Spitze, damit die Dinger auch luftdurchlässig sind. Es lebe das Anti-Gewalt-Projekt.

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