Augenleiden Ektropium – Defekt oder rassetypisch?

Ektropium – beim Menschen schweres Augenleiden, beim Hund notwendiges Rassemerkmal?

Die Hunde, die auf der diesjährigen Hundeausstellung „Cruft’s“ in Birmingham von den Tierärzten disqualifiziert wurden und deshalb den Titel „Best of Breed“ nicht verliehen bekamen, litten fast ausnahmslos unter Ektropium.
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Mastino Napolitano
Beim Ektropium liegt das Lid am Auge nicht an, sondern hängt nach unten und ist gleichzeitig auswärts gedreht, wodurch die normalerweise verdeckte Bindehaut exponiert ist. Durch die ständige Exposition der Bindehaut kommt es zur Rötung dieser, denn der „Blinzel-Reflex“ und der Tränenfilm können das Auge nicht ausreichend schützen und befeuchten. Häufig ist gleichzeitig die Lidspalte zu gross bzw. zu lang.

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Bernhardiner

Bei Rassen wie Mastino Napoletano, Molosser, Bernhardiner, Neufundländer, Bluthund, Mastiff, Spaniels, Basset, Schweizer Sennenhund oder Deutsche Dogge gehört das herunterhängende Unter-Lid zum rassetypischen Ausdruck. Die nach unten gezogenen Lidränder aufgrund der schweren, losen Haut am Kopf sorgen für den beliebten melancholischen Ausdruck dieser Rassen, beeinträchtigen den Hund aber sein Leben lang. Es gehört nicht viel Phantasie dazu sich vorzustellen, dass einechronische Bindehautentzündung durch Ektropium chronische Schmerzen bedeutet. Bei Menschen wird das Krankheitsbild wie folgt beschrieben:

„Da das Unterlid des Auges herabhängt, kann die Tränenflüssigkeit nicht mehr auf ihrem normalen Weg abfließen und läuft über den Lidrand (Tränenträufeln). Der Patient wischt sich die Tränen von der Wange, zieht dabei das Lid nach unten und verstärkt somit noch das Ektropium. Das chronisch gereizte Auge ist oft gerötet und auch hier kann es vorkommen, dass der Patient ein Fremdkörpergefühl verspürt. Zwar führt das Ektropium nicht unmittelbar zu einer Sehverminderung, allerdings ist die Bindehaut, die nun nicht mehr vom Lid geschützt wird, leicht entzündbar und damit anfälliger für Infektionen (Bindehautentzündung). Häufig trocknet sie aus und verdickt sich.“ (Quelle: www.dr-gumpert.de)

EktropiumBei Menschen ist das Mittel der Wahl bei Ektropium in der Regel eine Operation. Dabei wird versucht, das Lid chirurgisch zu straffen und wieder an den Augapfel anzulegen, z.B. durch Unterlidverkürzung und anschließender Verschiebung. Bei den genannten Rassen will man genau dies um Himmels Willen nicht – denn es gehört ja zum Rasse-Typ, und viele Fans dieser Rassen sind offenbar bereit, für einen „ausgeprägten Typ“ ihres Hundes gravierende gesundheitliche Mängel hinzunehmen. Ian Mason, Augenarzt der British Veterinary Association, der die Untersuchungen auf der Cruft’s leitete, sagte: „Es ist von größter Wichtigkeit, dass erkannt wird, dass eine derart krankhafte Veränderung der Augenlid-Anatomie für die betroffenen Hunde eine ständige Quelle von Schmerzen und chronischem Unwohlsein bedeutet.“ DIe betroffenen Züchter wollen das nicht einsehen: „Jede Rasse hat doch irgendeinen Defekt“, schrieb eine Bassett-Züchterin auf Facebook. Das stimmt natürlich: Den 100% genetisch gesunden Hund gibt es nicht, bei keiner Rasse, bei keinem Mischling. Aber muss man Defekte absichtlich anzüchten?
Alle Hunderassen wurden einmal aus einem bestimmten Grund gezüchtet. Selbst, wenn wir sie in diesen Berufen heutzutage nicht mehr brauchen, sollte doch eine simple Regel gelten: Könnten die Hunde den Job, für den sie ursprünglich gezüchtet wurden, noch ausführen? Beim Bassett, der einst als Lauf- und Schweißhund dafür da war, mit der Nase auf dem Boden über weite Strecken die Fährte von krankgeschossenem Wild zu verfolgen, muss man sagen: Mit Augen wie diesen – niemals. Wenn die Nickhaut zwei, drei oder gar vier Zentimeter exponiert ist und dabei die Nase in den Staub gehalten wird, käme der Hund an einer schweren Bindehaut gar nicht vorbei. Aufgrund der fehlenden Tränenflüssigkeit könnte das Auge nicht rechtzeitig von Staub, Ruß und Bakterien gereinigt, die Netzhaut dadurch während der Arbeit schwer beschädigt werden. Würde der Hund häufiger unter diesen Voraussetzungen arbeiten müssen, würde er über kurz oder lang erblinden.
Und das soll seinen speziellen „Typ“ ausmachen? Ich finde: Nein.
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Bassetts

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