Luise, die Männerfängerin – eine Unterhaltung

bildvom 24.10.2010
Neulich hörte ich, wie jemand sich wünschte, sein Hund könne sprechen.
Ich bin nicht sicher, dass das eine gute Idee wäre. Ich glaube sogar, wenn Hunde sprechen könnten, wäre es nicht mehr halb so lustig, sie um sich zu haben. Meine Hunde jedenfalls würden ständig versuchen, das letzte Wort zu haben – und nicht etwa, weil sie das von mir gelernt haben, sondern, weil das ihrem Charakter entsprechen würde. Ich stelle mir vor, wie das Leben mit einer sprechenden Luise aussähe. Wir würden im Café frühstücken, und sie würde sich beklagen: „Nur ein halbes Croissant?“ würde die schwarze Pudelin maulen. „Gib‘ mir noch die andere Hälfte.“ „Seit wann gibst du mir Befehle?“ frage ich. „Seit heute“, sagt sie. „Es ist Zeit für eine Veränderung im Rudel-Status. Vom ersten Tag an habe wir alles so gemacht, wie du es wolltest. Im Augenblick wirkst du etwas unsicher und labil. Das Wohlergehen des Rudels ist gefährdet. Ich übernehme das Kommando.“ „Wieso glaubst du, dass du es besser kannst?“ frage ich interessiert. „Ihr Menschen seid immerzu mit Wunschdenken beschäftigt“, erklärt Luise. „Ich habe die besseren Instinkte. Damit haben wir Hunde 14 000 Jahre überlebt. Und um die nächsten 15 Minuten zu überleben, brauche ich die andere Hälfte des Corissants. Das sagt mir mein Instinkt.“
Ein Ex-Freund kommt vorbei und plaudert. „Wollen wir nicht mal wieder ins Kino gehen?“ fragt er schließlich. Ich murmele eine vage Antwort und wende mich zum Gehen. „Wenn du den Typ zurück nimmst, beiße ich dich“, sagt Luise. „Du drohst, mich zu beißen?“ frage ich sie. „Naja, nicht wirklich“, sagt sie. „Ich einfach nicht bissig. Aber ich werde in deine neuen Stiefel kotzen. Und du weißt: Den Geruch bekommt man aus Leder nie wieder richtig heraus.“ „Was soll das?“ frage ich. „Er hat dir nie etwas getan.“ „Nein, aber dir“, sagt Luise. „Ich wusste damals nach drei Minuten, dass er nichts taugt.“ „Ich weiß selbst sehr gut, wer gut für mich ist.“ „Ja, klar“, höhnt Luise. „Als ob du je bei Männern den richtigen Instinkt bewiesen hättest. Du hast einfach nie auf mich gehört.“ „Weil deine Vorschläge völlig unpassend und irre waren“, sage ich. „Na und?“ fragt Luise. „Fast alles, was du je von mir verlangst, ist völlig irre. Die Hälfte von dem, was du von mir verlangst, mache ich nur, weil es für dich eine Rolle spielt, obwohl es mir total gegen den Instinkt geht. – Wir machen es so: Jedesmal, wenn ich einen Typ sehe, der gut für dich ist, belle ich.“
Sie bleibt stehen und bellt, woraufhin sich ein Fünfjähriger vor Schreck in die Arme seiner Mutter flüchtet. „Schrei nicht so, du erschreckst kleine Kinder“, ermahne ich sie. „Wo will er hin? Den meinte ich!“ „Der ist erst fünf Jahre alt“, sagte ich. „Du hast nicht gesagt, dass du altersmäßig festgelegt bist“, meint Luise. „Was soll’s? Ich habe schon mit Einjährigen Affären gehabt.“ „Tut mir leid“, sage ich. „Bei Menschen geht das nicht. Keine Diskussion.“ Der nächste, bei dem sie bellt, trägt einen Ehering und spaziert mit Frau und Kindern vorbei. „Hast du keine Augen im Kopf?“ frage ich sie. „Und das daneben sind seine Eltern. Oder seine Schwiegereltern.“ „Du hast auch jedes Mal eine andere Entschuldigung, was?“ sagt Luise. „Na gut. Aber der Typ hier links ist genau richtig. Frag‘ ihn nach seiner Nummer.“ „Ich will dich ja nicht ärgern, aber der ist mindestens 80″, sage ich. „Für dich ist einfach niemand gut genug, oder?“ sagt Luise entnervt. „Wenn du dich das nächste Mal wunderst, warum alles so schwierig ist, solltest du mal deine Ansprüche überdenken.“
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Foto: Frank Zauritz

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