vom 15.1.2012
Hallo, ich bin es: Fritz, das XL-Italienische Windspiel. Heute übernehme ich mal die Kolumne, weil Katharina die Worte fehlen. Ich als Hund bin in einer solchen Situation nicht so aufgeschmissen, denn die wortlose Kommunikation ist ja mein Normalzustand. Ich bin darin aber sehr eloquent, und das macht mich zum Anführer-Typ. Es ist meine Aufgabe, den Rest unserer Gruppe in die wichtigen Dinge des Lebens einzuweisen. Ich bin derjenige, der die Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln sehen kann, und das gebe ich an die anderen Hunde weiter, um ihnen das Überleben zu erleichtern. Z.B. wohnt seit ein paar Monaten ein viereinhalb Monate altes Windhundmädchen bei uns. Anfangs ging sie mir mit ihrem Baby-Gehabe ziemlich auf die Nerven – dauernd kaute sie einem unvermittelt an den Ohren herum oder wollte sich immer in mein Hundebett legen, wenn ich schon drin lag. Außerdem bekommt sie eine vollständige Mahlzeit mehr als unsereins, das muss man sich mal vorstellen! Soll das vielleicht eine freundschaftsfördernde Maßnahme sein? Schließlich waren wir anderen zuerst hier, haben also die älteren Rechte auf Essen und Versorgung. – Aber wir haben das geklärt. Bei ihren Mahlzeiten stelle ich mich genau neben sie und starre in ihren Futternapf, bis sie es nicht mehr aushält und weg geht. Dann bleibt immerhin noch ein Viertel ihrer Portion für mich. Überhaupt lässt sich mittlerweile Einiges mit Gretel, so heißt sie, anfangen. Sie ist vor allem eine sehr gute Schülerin und macht alles nach, was ich ihr zeige. Menschen bilden sich bei jedem Neuzugang ein, sie könnten dieses Mal alle Dinge besser machen. „Bessermachen“ würde funktionieren, wenn die Menschen uns einmal zuhören würden. Das können sie aber nicht: Sie haben einfach keine besonders große Aufmerksamkeits-Spanne. Das sieht man ja schon, wenn man sie dazu auffordert, einem den Ball zu werfen: Länger als eine halbe Stunde am Stück bekommen sie das nicht hin. Lächerlich. Ich meine: Ballspielen ist doch der Grund, warum es sich zu leben lohnt! Kein Wunder, dass die Welt in dem momentanen Zustand ist, wenn Menschen glauben, dreißig Minuten Ballspielen sei genug.
Aber Menschen verstehen zu wollen ist sowieso absolute Glücksache. Sie sind unberechenbar. Das liegt daran, dass sie den Hund, mit dem sie zusammen leben, immer als Fortsatz ihrer eigenen Persönlichkeit sehen. Sie projizieren ihre Gedanken auf uns Hunde und können sich einfach nicht vorstellen, dass man Gedankengänge hat, die mit ihren eigenen nichts zu tun haben. Man muss sich mit ihnen irgendwie arrangieren, es hilft ja nichts. Im Zweifelsfalle einfach mitmachen, wenn etwas Unverständliches verlangt wird und nicht auf Verständnis hoffen: Sie meinen es ja meistens gut. Einfach wedeln und freundlich gucken. Wenn der Mensch dann im anderen Zimmer ist, erledigt man die Dinge, die notwendig sind.
Zurück zu Gretels Erziehung. Menschen mögen es meist nicht, wenn man in ihrem Bett schläft. Unverständlich. Wir Windspiele dürfen das in sehr kalten Nächten und nur, wenn wir rechtzeitig anfangen, ausgiebig zu zittern. Gretel hat mehr Fell, das glaubt ihr also kein Mensch. Darum habe ich ihr gezeigt, wie man sehr, sehr traurig guckt: Einfach so gucken, als würden die Menschen ohne Hund das Haus verlassen, und dabei den Kopf aufs Bett legen, möglichst nahe an irgendwelchen ihrer Körperteile. Gleichzeitig muss man vollkommene Anbetung ausstrahlen, bis man sie beinahe fühlen kann: Dem kann auf Dauer kein Mensch widerstehen. Die Methode ist bombensicher. Wenn es so weitergeht, brauchen wir hier ein größeres Bett.
Foto: Frank Zauritz für BamS