Hundeclowns

bildvom 9.12.12

Seit ein paar Jahren begleiten meine Hunde mich zum „Besuchsdienst“ in einen Kindergarten für so genannte „unterprivilegierte“ Kinder – Kinder aus schwierigen Verhältnissen, die oft mit vier, fünf Jahren noch nicht richtig sprechen können, weil zuhause keiner mit ihnen redet, die motorisch unterentwickelt sind, weil niemand mit ihnen Laufen, Rennen, Hüpfen, Tanzen oder Klettern geübt hat und sie zuhause hauptsächlich vor dem Fernseher sitzen und Trickfilme ansehen (zeichnen können sie deshalb aber trotzdem nicht, weil sie zuhause gar keine Buntstifte haben). Viele dieser Kindern haben ADHS – eine Aufmerksamkeits/Hyperaktivitätsstörung, was bedeutet, dass sie große Schwierigkeiten haben, sich auf eine Sache zu konzentrieren, zur Ruhe zu kommen und eine Aufgabe zuende zu bringen. Einmal in der Woche bin ich dort mit meinen Hunden, die dann von den Kindern gebürstet werden, wir putzen ihre Zähne, spielen mit ihnen Ball oder machen Kunststücke mit ihnen. Besonders fasziniert sind die Kinder von so genannten „Hunde-Intelligenz-Spielsachen“, die ich mitbringe, bei denen Hunde Schubladen oder Fächer auf- und zuschieben, Hütchen abnehmen oder Deckel aufklappen müssen, um an darin versteckte Hundekekse zu gelangen: Es scheint die Kinder mit unendlicher Bewunderung zu erfüllen, dass die Hunde derlei ohne Hände schaffen. Wenn die Hunde ungeduldig werden und versuchen, mit den Pfoten das Ganze zu beschleunigen, reden die Kinder ihnen altklug zu, sie sollten doch mal ein bisschen nachdenken und sich nicht so anstellen. Ein Fünfjähriger ist dabei, dessen normaler Tonfall so unglaublich laut ist, dass man nach einer kurzen Unterhaltung mit ihm immer kurz vor einem Hörsturz steht. Das liegt daran, dass bei ihm zuhause der Fernseher stets so laut gestellt ist, dass alle Familienmitglieder darüber hinwegschreien müssen, um sich zu verständigen. Neulich fiel mir auf, dass er neuerdings fast normal mit mir und meinen Hunden spricht. „Ich will die Hundn nis ersrecken“, erklärte er mir auf meine Nachfrage. Er hat festgestellt, dass Fritz einfach nicht mit ihm spielt, wenn er angebrüllt wird. Der kleine Junge verweigert sich meist gegen alles, etwas anderes als „Weeß ick selba“, „Gloob ick nich“ und „Mach ick nich“ habe ich selten von ihm gehört; er ist unglaublich hippelig und nervös – aber er übt ohne mit der Wimper zu zucken 20 Minuten am Stück mit Fritz „Verbeugen“: ohne die Geduld zu verlieren legt er die Kekse immer wieder so hin, wie ich es ihm gezeigt habe. Als Fritz (der seinerseits auch keine Konzentrations-Kanone ist) es endlich richtig machte, strahlte das Kind, als hätte es Weihnachten, Ostern und Abitur auf einmal erlebt. Wenn man ihn jetzt fragt, will er später mal „Hundeclown“ werden.
Keine Ahnung, was man da macht. Aber es kling wie ein wunderbarer Beruf.

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