Krankheiten der Gehörgänge
von
Dr. med. vet. Andreas H. Hasler,
Diplomate American & European College of Veterinary Internal Medicine
Wenn ein Hund eine leichte Rötung der Ohrmuschel hat und keinen Gehorsam mehr zeigt, sollte man die Ursache für den Ungehorsam an anderen Stellen suche, als davon auszugehen, „er hört eben schlecht“: Entzündungen (Otitis externa) des äusseren Gehörganges sind bei Hunden die häufigste Erkrankung des Ohres und können das Hörvermögen des Hundes drastisch reduzieren.
Ohrschmalz oder eben Cerumen ist beim Hund wie beim Menschen grundsätzlich normal. Hat Ihr Hund etwas Cerumen im Ohr, so ist das kein Grund zur Beunruhigung. Die Ohrmuschel kann vom Besitzer/in selbst mit einem weichen, feuchten Lappen gereinigt werden. Ohrstäbchen sind tabu und haben im Ohrkanal nichts zu suchen. Mit Ohrstäbchen oder anderen Watteträgern stossen Sie nur den Ohrschmalz in den Gehörkanal hinunter und verursachen einen Propfen im Gehörkanal. Dies kann dann die Selbstreinigungskraft des Ohres übersteigen und eben Ursache und Beginn einer Ohrentzündung sein. Falls Sie
unsicher sind, ob die Menge an Cerumen noch normal ist oder ob bereits eine
Entzündung vorliegt, so lassen Sie sich von Ihrem Tierarzt/ärztin beraten.
Hunde mit Otitis externa haben Juckreiz am Ohr. Sie kratzen sich an der Ohrmuschel
und schütteln den Kopf. Dies kann so schlimm sein, dass weder Hund noch
Besitzer/in Ruhe finden. Die Ohrmuschel und der Gehörgang sind gerötet, z. T.
angeschwollen, wobei eine Berührung sehr schmerzhaft sein kann. Selbst ausgesprochen freundliche Hunde können zur Abwehr beissen, wenn sie am entzündeten Ohr angefasst
werden. Die Ohren sind „dreckig“, und oft wird bräunlich-schwarzer, gelegentlich
auch gelblich-eitriger Ohrschmalz in der Ohrmuschel und im Gehörgang festgestellt. Manchmal stinken die Ohren fürchterlich.
Bei Otitis externa wird zwischen primären (direkten) und sekundären (indirekten)
Ursachen einerseits und prädisponierenden Faktoren (Anfälligkeit für eine Krankheit)
andererseits unterschieden.
Primäre Ursachen verursachen die Ohrentzündung direkt. Mit der Behandlung der
primären Ursache verschwinden die sekundären Ursachen oft von selbst, d. h.
sie müssen nicht mehr therapiert werden.
Ohrmilben
Während Ohrmilben bei Katzen weitaus die häufigste primäre Ursache sind, ist dies beim Hund seltener. Nur ca 5-10 % der Hund mit Gehörgangsentzündung haben Ohrmilben. Am häufigsten treten diese im Welpenalter auf. Die Diagnose ist meist einfach zu stellen. Bei der Ohruntersuchung sieht derTierarzt/ärzin mit einer Vergrösserung kleine weisse Punkte im Ohr, die sich bewegen. Die Anzahl Milben ist beim Hund oft gering (im Gegensatz zur Katze, die oft viele Milben haben). Milben verursachen eine allergische Reaktion im Ohr und
schon zwei bis drei Milben können eine Entzündung hervorrufen. Daher lassen sich
gelegentlich keine Milben darstellen, obwohl sie Ursache der Entzündung sind.
Deshalb rechtfertigt sich eine Behandlung gegen Ohrmilben, auch wenn bei der
Ohruntersuchung keine Ohrmilben nachgewiesen werden konnten. Der Tierarzt/ärzin
wird die Ohren reinigen und anschliessend beide Ohren mit einem Insektizid
behandeln. Beim Hund ist eine Behandlung meist ausreichend.
Fremdkörper im Ohr
Fremdkörper wie Grashalme oder Grannen im Ohr verursachen ebenfalls eine Otitis
externa. Vor allem bei sehr aktiven Hunden, die viel in Feld und Wald
unterwegs sind, werden immer wieder Fremdkörper im Ohr gefunden. Typischerweise
führen Fremdkörper meist zu einseitigen Aussenohrentzündungen. Der Juckreiz
beginnt akut und ist oft sehr ausgeprägt. Der Tierarzt/ärztin muss gelegentlich das
Ohr zuerst gründlich reiniger, um den Fremdkörper überhaupt zu sehen. Das
Entfernen des Fremdkörpers genügt bei einfachen, frischen Fällen als Therapie.
Auch Überempfindlichkeiten können zu Ohrenentzündungen führen
Auch Überempfindlichkeiten (Allergien, Futter, Medikamente) führen beim Hund neben
Hautveränderungen an anderen Stellen oft auch zu Otitis externa. Es sind meist
beide Ohren befallen. Bis zu 80% von Hunden mit Allergien haben auch entzündete
Ohren. Bei jedem vierten Hund ist das Ohr von Anfang an betroffen. Manchmal sind
die entzündeten Ohren die einzige Manifestation einer Allergie. Daher
können Ohrentzündungen auch nur die Spitze des Eisbergs sein und Ausdruck eines
schwerwiegenden Problems.
Für den Tierarzt/ärztin ist die Diagnose „Allergie“ immer schwierig. Es besteht kein Test, der eindeutig aussagt, dies ist eine Überempfindlichkeitsreaktion – oder nicht. Der Tierarzt/ärztin muss die Diagnose über den Ausschluss von anderen Ursachen und der Krankengeschichte (z.B. Medikamentengaben ins Ohr, Verschlimmerung bei gewissen Futtertypen) stellen.
Autoimmunerkrankungen wie z.B. ein discoider Lupus können auf das Ohr
beschränkt sein und der Grund für eine Otitis externa sein. Meist verursachen sie
aber auch auf der Aussenseite der Ohrmuschel Veränderungen. Sekundäre Ursachen verursachen oder verschlimmern eine Ohrerkrankung nur im abnormalen Ohr oder im Zusammenhang mit prädisponierenden Faktoren.
Bakterienerkrankung?
Bakterien selbst verursachen ganz selten eine Otitis externa. Auch im gesunden und
sauberen Ohr werden Bakterien gefunden, und so lange das Ohr gesund ist, können
sie nicht überwuchern. Dies ist erst der Fall, wenn das Milieu im Ohr für sie günstig
ist. Dazu müssen andere Faktoren vorhanden sein wie z.B. eben eine Überempfindlichkeit oder ein Fremdkörper, nach denen der Tierarzt/ärztin suchen muss. Hat die Überwucherung
mit Bakterien aber einmal stattgefunden, dann fördern die Bakterien selbst die Entzündung. In diesem Fall wird eine Therapie mit einem Antibiotikum notwendig. In schweren Fälen muss das Antibiotikum systemisch (z.B. Tabletten) gegeben werden, da eine lokale Gabe mit einem Ohrenmittel nicht ausreicht. Ein häufiges Bakterium bei chronischen Entzündungen sind die sogenannten „Pseudomonaden„. Leider ist dieses Bakterium gegen viele Antibiotika resistent.
Der Tierarzt/ärztin kann anhand einer Probe von Ohrschmalz feststellen, ob solche
Erreger vorhanden sind und gegen welches Antibiotikum sie noch empfindlich sind.
Falls Pseudomonaden vorhanden sind, dann kann es sehr langwierig und aufwendig,
das Ohr von diesem Bakterium frei zukriegen.
Ohrpilze
Besonders Pilze vom Hefetypus (Malassezia) findet man zwar auch in gesunden
Hundeohren gefunden, sind aber häufiger anzutreffen in erkrankten Ohren.
Antibiotikagaben können das Milieu für die Hefepilze stark verbessern, indem die
Konkurrenz (Bakterien) für Nährstoffe ausgeschaltet wird. Die Hefepilze überwuchern
und unterhalten die Entzündung.
Anfälligkeit für Ohrentzündung bei bestimmten Hunden
Prädisponierende Faktoren für eine Otitis externa sind beim Hund ein enger
Gehörkanal, Haare im Gehörkanal und vermehrte Ohrschmalzproduktion. Wie
erwähnt hat der Shar Pei neben vielen anderen Problemen einen engen Gehörkanal.
Es ist offensichtlich, dass ein enger Kanal eher verstopft. Ist der Gehörgang einmal
verstopft, wird die Selbstreinigung des Ohres vermindert oder gestoppt und Bakterien
und Pilze können überwuchern. Ähnlich verhält es sich mit Haaren. Diese halten
Fremdmaterial oder Ohrschmalz zurück und es kommt zur Verstopfung des Kanals.
In diesem Fall wird der Tierarzt/ärztin neben der Reinigung des Gehörkanals auch
die Haare zupfen. Da dies schmerzhaft ist und vor allem die tieferen Haare entfernt
werden sollten, ist gewöhnlich eine Narkose notwendig.
Hängeohren werden häufig als Grund für eine Entzündungsneigung angegeben. Untersuchungen haben allerdings gezeigt, dass die Temperatur im Gehörgang bei Hängeohren und Stehohren die gleiche ist. Einzig die Luftfeuchtigkeit ist bei Stehohren geringer als bei
Hängeohren.
Tumore
Tumore im Gehörgang können zu therapieresistenten Entzündungen führen. Die
Tumore verändern das Milieu im Ohr, wodurch Bakterien überwuchern. Ohne Behandlung
des Tumors kann keine Heilung erzielt werden. Tumore im Gehörgang des Hundes haben
eine vorsichtige bis ungünstige Prognose. Es handelt sich meist um die so genannten
Ceruminaldrüsentumore. Etwa 50% dieser Tumore sind bösartig und neigen zu
Rückfällen. Die Therapie ist eine vollständige Entfernung des Gehörganges inklusive
Mittelohr.
Äusseres Ohr – Ohrmuschel
Krankheiten der Ohrmuschel reduzieren die Funktion des Ohrs nur mässig. Ein
Hund mit einer entzündeten Ohrmuschel sollte ein praktisch normales Gehör und einen normalen Gleichgewichtssinn haben.
Im Zusammenhang mit Gehörgangsentzündungen kann es zum sogenannten
Othämatom oder Blutohr kommen. Die Ohrmuschel ist je nach Ausmass geschwollen
oder aufgetrieben, schmerzhaft und warm. Der Hund zeigt hochgradigen Juckreiz
und je mehr er kratzt oder das Ohr schüttelt, desto grösser wird die Schwellung.
Der Tierarzt/ärztin wird in den meisten Fällen den Patienten narkotisieren, um das
Ohr in Ruhe und vollständig untersuchen zu können. Je nach Ausmass wird das Ohr entweder von Blut entleert werden oder eine Operation durchgeführt. Meist bekommt der Hund einen Ohrverband. Es kann notwendig sein, dem Hund für die ersten Tage nach der Operation ein Beruhigungsmittel zu verabreichen.
Mittelohrentzündungen beim Hund
Im Gegensatz zu Kindern haben Hunde nur sehr selten Mittelohrentzündungen. Das
Hörvermögen ist reduziert, da die Übertragungsfunktion wegfällt. Das Gleichgewicht
ist bei reinen Mittelohrerkrankungen nicht betroffen. Bakterielle Entzündungen (Otitis
media) sind die häufigsten Erkrankungen des Mittelohres. Die Infektion ist in den
meisten Fällen eine Folge einer chronischer Otitis externa und Perforation des
Trommelfells. Erkrankte Hunde zeigen einerseits Symptome einer
Aussenohrentzündung (Kratzen, Kopfreiben) andererseits sind sie apathisch und
haben Schmerzen. Am Mittelohr verlaufen mehrere Nerven, welche die
Augenlidstellung und Pupillengrösse beeinflussen. Bei entsprechender Entzündung
kommt es zu Lidschluss und kleiner Pupille (Horner Syndrom). Die Diagnose einer
Mittelohrentzündung wird aufgrund der Krankengeschichte, des klinischen Bildes,
Ohr- und Rachenuntersuchung (in Narkose), bildgebender Diagnostik wie Röntgen,
Röntgentomographie oder Magnetresonanztomographie und eventuell Punktion des
Mittelohres durch das Trommelfell (falls noch intakt) gestellt. Die Therapie besteht in
systemischen Antibiotikagaben, und/oder chirurgischer Spülung des Mittelohrs. Das
Trommelfell kann sich wieder verschliessen, allerdings muss dafür die Entzündung
im Aussenohr behoben sein. Die Prognose ist vorsichtig zu stellen.
Innenohr
Bei Innenohrerkrankungen können sowohl das Gleichgewichts- wie auch das
Gehörvermögen befallen sein oder zum Teil verändert sein (so können
Dalmatiner neben anderen Rassen zum Teil von Geburt her taub sein, haben
aber einen normalen Gleichgewichtssinn). Defizite im Hörvermögen können lange unentdeckt bleiben, bis der Gehörverlust komplett ist. Die Tiere sind manchmal schreckhaft oder reagieren nicht, bis sie angefasst werden.
Bei Entzündungen des Innenohres sind meist beide Sinne betroffen. Eine Beeinträchtigung des Gleichgewichtssinn ist auffälliger. Die Hunde können nicht mehr stehen, sie halten den Kopf schief und Bewegen die Augen hin und her
(Nystagmus).
Die häufigste Ursache einer Innenohrerkrankung ist eine bakterielle Entzündung, die
sich vom Mittelohr ausgebreitet hat. Die Diagnose wird wie bei Mittelohrentzündungen gestellt. Die Therapie muss schnell und umfassend erfolgen, um einen Übertritt ins Gehirn zu vermeiden.
Quelle: http://www.kleintiermedizin.ch/hund/ohren/ohren4.htm