Der Mops: Ein Wunder der Natur

Emily

Er wirkt, als laste das Elend dieser Welt auf seinen Schultern, aber sein Blick ist feurig. Geächtet, verspottet, fast ausgestorben: inzwischen feiert der Mops ein fulminantes Comeback.
Emily+Theo

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Der Mops ist kein normaler Hund, das sieht man auf den ersten Blick. Als Welpe sieht er aus wie ein Marzipanschwein, das jemand kopfüber in Kakao gesteckt hat, als erwachsener Hund hat er zweifellos etwas von einem andalusischen Kampfstier, gepaart mit einer Weißwurst.
Der Mops ist ein Klassiker: er passt zu psychisch stabilen Menschen, die keinen dekorierten Königspudel oder Afghanen brauchen, um von ihrer Unzulänglichkeit abzulenken, und die sich nicht daran stören, dass ihr bester Freund schnarcht, grunzt, haart und mit völliger Selbstverständlichkeit immer den besten Platz auf dem Sofa für sich beansprucht. Man macht ihm den auch nur ungern streitig: Seinen Gesichtsausdruck von fassungsloser Empörung verfolgt einen ohne Weiteres tagelang.
Am Mops scheiden sich die Geister: Er wird entweder innig geliebt, oder grundheraus verabscheut. Von Brehm als Zerrbild der Natur verspottet – „die Welt wird nichts verlieren, wenn dieses abscheuliche Tier mitsamt seiner Nachkommenschaft den Weg allen Fleisches geht“, schrieb er 1864 -, sah ihn Wilhelm Busch als verzogenen, verfetteten Schoßhund und Gespielen später Mädchen:

„Sie füttert ihn, so viel er mag,
mit Zuckerbrot, den ganzen Tag.
Und nachts liegt er sogar im Bett,
da wird er freilich dick und fett.“

Wobei sich tatsächlich nicht abstreiten lässt, dass der Mops verfressen ist – ein Mops, der keinen Hunger hat, ist höchstwahrscheinlich schon tot.

Foto: Debra Bardowicks

Foto: Debra Bardowicks

Man hat dem wundervollen kleinen Hund also so viel Unrecht getan, dass er vor lauter Kummer beinahe ausgestorben wäre. Aber Totgesagte leben länger, und so hat er in den letzten Jahren eine Renaissance erlebt: anand_21april08_bplötzlich trifft man ihn wieder überall – in Galerien, Restaurants, in Parks, neben Kinderwägen.
Der Mops ist nämlich ein idealer kleiner Gefährte. Er lebt davon, in der Nähe seines Menschen zu sein. Seine Stärke ist es, sich in jeder Situation Freunde zu machen, weshalb er auch völlig ungeeignet ist als Wachhund. Der Mops ist ein kommunikatives Tier, das überall mit dabei sein möchte, auf Kindergeburtstagen, Cocktailparties, beim Einkaufen, im Büro, und überhaupt: Wird er ausgeschlossen, leidet er furchtbar. Um das zu vermeiden, passt er sich jeder Situation an und fühlt sich in einer winzigen Wohnung genauso wohl, wie auf einem Landschloß, macht bei entsprechender Kondition spielend Spaziergänge über mehrere Stunden mit, nimmt es aber auch nicht übel, wenn man es mal nur um den Block schafft. „Dabei sein ist alles“ lautet seine Devise.Arthur
Seine Pflege ist einfach. Vor allem muß man ihn bürsten: er haart nämlich, und zwar nicht zu knapp. Am besten passt man die eigene Kleidung seiner Fellfarbe an, das minimiert das Problem schon mal. Ansonsten: bürsten, was das Zeug hält, um die pieksigen toten Haare zu entfernen. Außerdem müssen die typischen Falten im Mopsgesicht gepflegt werden, weil sich dort gerne Schmutz, Schuppen oder Tränenflüssigkeit sammeln. Ansonsten neigen sie aufgrund ihrer erstaunlichen Kieferform zu Zahnfehlstellungen: Oft fallen die Milchzähne nicht vollständig aus, weshalb sich eine „doppelte“ Zahnreihe bildet – darum muß sich dann spätestens im Alter von neun Monaten der Tierarzt kümmern. Ansonsten braucht der Mensch im Zusammenleben mit dem Mops vor allem Humor – um all jenen gutgelaunt zu begegnen, die ungefragt ihre Meinung kundtun, ob und daß sie den Mops für eine Karikatur halten, oder das „der arme Hund keine Luft bekommt“. Das ist nicht grundsätzlich so: Die meisten Möpse sind durchaus sportlich, machen jahrelang Agility , gehen Wandern oder müssen wie mein eigener Mops täglich dreieinhalb Stunden täglich spazierenlaufen. Zugegeben – sie sind wenig geeignet zum Apportieren: Aus Höflichkeit laufen sie dem Ball vielleicht hinterher, aber ob man ihn wiederbekommt, ist eine andere Sache. Auch für die Fährtenarbeit sind sie nicht die richtige Rasse – außer, es handelt sich um eine Fährte aus Kekskrümeln.

Emily

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In der Tat haben manche Möpse Atemprobleme, das sogenannte brachycephale Syndrom. Zu den „brachycephalen Rassen“ zählen alle kurzköpfigen Rassen wie etwa auch Boxer und die Shar peis. Nicht alle Hunde der brachycephalen Rassen leiden dabei auch am brachycephalen Syndrom, wohl aber auch Hunde von nicht kurzköpfigen Rassen, wie z.B. Norfolk oder Norwich Terrier. Auch ein bestimmtes anfallartiges lautes, mit starrer Körperhaltung einhergehendes Lufteinziehen, das bei manchen Hunden vorkommt, ist weder Grund zur Beunruhigung, noch eine mopsspezifische Sache: Hierbei handelt es sich um einen Krampf im Gaumensegel, der häufig mit einer leichten Erkältung oder einer Mandelentzündung einher geht. Manche Hunde, egal welcher Rasse neigen dazu – andere nicht. Weil aber der Mops aufgrund seiner Physiognomie zu Problemen neigt, ist es wichtig, sich auf seriöse Züchter zu verlassen, die sich schon lange mit der Rasse beschäftigen und Möpse mit großen, offenen Nasenlöchern züchten.

Der Mops wird gewöhnlich als „Multum in parvo“ beschrieben, was ungefähr bedeutet: Eine Menge Hund in einem kleinen Paket. Er ist ein sehr selbstbewußter Hund, was man sofort erkennt, wenn man ihn daher kommen sieht: Den runden kleinen Kopf hoch erhoben, der stramme, kurze Rücken mit dem eleganten dunklen Aalstrich wird von einer möglichst doppelt gerollten Posthorn-ähnlichen Rute gekrönt, die er Theo stolz über dem Rücken trägt. Sein Gang ist selbstsicher und schneidig, und er hat keinerlei Gefühl für seine geringe Größe: Der Mops hält sich größenmäßig für einen Löwen. Dessen Charakter teilt er auch: Eben noch sanft und hingebungsvoll, wirft er sich im nächsten Moment voll selbstgerechter Empörung in die Brust. Wie eine kleine Kanonenkugel schießt er zwischen streitende Kinder oder Hunde – signalisiert man ihm allerdings Gleichgültigkeit oder gar Ablehnung, zieht er sich verschnupft zurück. Wer einen Mops einmal ungerecht behandelt, hat für immer verloren: Der Mops mag klein wie ein Turnschuh sein, aber er hat das Gedächtnis eines Elefanten.
Sein Name gibt Rätsel auf: Wer mopst, der klaut, und das tut man nicht. Wer „sich mopst“, dem ist langweilig. Das holländische mopperen bedeutet „meckern“, und daher stammt wohl das deutsche „Mopshund“: Die Geräusche, die der Mops macht, erinnern tätsächlich an ein permanentes Gegrummel. In Frankreich heißt das Hündchen Carlin, abgeleitet von dem Namen des Schauspielers Carlin, der im 18. Jahrhundert als Harlekin mit schwarzer Maske auftrat. Die englische Bezeichnung „pug“ kommt wohl vom lateinischen pugnus, was „Faust“ bedeutet und wohl ein Hinweis auf sein faltiges Gesicht ist, das aussieht, wie eine Knautschzone nach einem schweren Zusammenprall. Manche Leute finden das hässlich. Dabei ist der Mops eben nicht nur ein emotionales, sondern ein ästhetisches Statement: Der Mops ist eine kulturelle Ikone. Kein Hund wurde so häufig in Kunst, Kunstgewerbe oder in der Werbung dargestellt, wie der Mops: Meißen und Nymphenburg, die seit über 200 Jahren Porzellanmöpse herstellen, machten seine Konturen unsterblich, er ziert Gemälde von Hogarth, Goya und zahllosen anderen.

A Pug dog (1802) Henry Bernard Chalon (1770–1849) oil on canvas (51 × 60 cm

A Pug dog (1802)
Henry Bernard Chalon (1770–1849)
oil on canvas (51 × 60 cm

Die Herkunft des Mopses ist, wie bei vielen großen Persönlichkeiten, etwas nebulös. Sicher ist, dass er aus China kommt und als Gegenstück zum langhaarigen Palasthund in der
Kaiserlichen Stadt Peking gezüchtet wurde. Hartnäckig hält sich das Gerücht, der Mops sei von Dschinghis Khan (1155-1227), dem schrecklichsten Eroberer aller Zeiten aus der kaiserlichen Stadt entführt worden und mit ihm nach Europa gekommen. Für diese Geschichte gibt es allerdings nicht den winzigsten Beleg: Der furchtbare Dschinghis Khan, der mit seiner entsetzlichen Armee bis 1225 den gesamten asiatischen Raum eroberte, wird anderes zu tun gehabt haben, als seine Satteltaschen mit niedlichen kleine Schoßhündchen zu füllen.

A favourite Pug bitch (1802) Henry Bernard Chalon (1770–1849) oil on canvas (51 × 60 cm

A favourite Pug bitch (1802)
Henry Bernard Chalon (1770–1849)
oil on canvas (51 × 60 cm

Die früheste historische Abbildung vom Mops, wie wir ihn erkennen können, stammt aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts: Im Kaiserlichen Hundebuch, das während der Herrschaft des Kaisers K’ang-hsi (1666-1722) verfasst wurde. Der kleine kurzhaarige Chinese wurde damals Lo-sze ba-erh genannt: Lo-sze bedeutet kurzhaarig, ba-erh soviel wie Schoßhund. Zucht und Besitz der Lo-sze ba-erh war kaiserliches Vorrecht und per Gesetz ausschließlich den Höflingen innerhalb der kaiserlichen Stadt erlaubt: kein europäischer Händler, kein westlicher Barbar könnte auch nur soviel wie davon träumen, der kaiserlichen Stadt überhaupt nahe zu kommen. Nur die jesuitischen Missionare gelangten von Zeit zu Zeit hinein: Der zweite Kaiser der Manch-Dynastie, K’ang-hsi war ein äußerst gebildeter, moderner Mann und diskutierte viel mit den jesuitischen Gelehrten, die völlig frei überall im Kaiserreich missionarisch tätig sein durften. Sie besaßen mehr Rechte als Höflinge, galten als kulturelle Botschafter Europas und durften zwischen Peking und Europa hin- und herreisen. Wahrscheinlich reiste der kleine kaiserliche Hund also erst im 18. Jahrhundert als Reisebegleiter eines Jesuiten nach Europa.
Genau zu dieser Zeit tauchte er auch auf europäischen Gemälden auf, als die China-Manie in Europa begann und man sich mit allem schmückte, was nur ansatzweise chinesisch wirkte. Und so zog der Mops in Europas Fürstenhäusern ein: bald war er überall, das Goldene Kalb des 18. Jahrhunderts, eroberte die Nichte Katharina der Großen und Kaiserin Josephine, die ihren Mops Fortuné immer mit kleinen Botschaften unter dem Halsband zu ihrem Mann Napoleon schickte. Bald hatte auch die englische Königin Viktoria Möpse, und überhaupt wurde der Mops zum Hund von Menschen mit Haltung: Der Herzog und die Herzogin von Windsor waren berühmt für ihre Möpse, die sie täglich mit Dior-Parfum bestäubten und die von Kapaun-Brust, Steak, Leber und frisch gebackenen Biskuits lebten. Winston Churchill besaß einen Mops, ebenso Heinrich Heine, Rilke, Andy Warhol, der iranische Schah und Gregor von Rezzori;Emily (schüttelnd) Designer Valentino, Billy Joel, Dichter Ernst Jandl und Loriot verbrachten ihre Leben mit einem Mops, und das aus gutem Grund: Die Kummerfalten und der unglückliche Gesichtsausdruck des Mopses sind nur Fassade. In Wirklichkeit ist der Mops ein gutgelaunter Clown, und das nicht ohne Grund: Die Menschen, die mit einem Mops leben, geben sich allergrößte Mühe, sein Leben in ein Gedicht zu verwandeln.

mehr zum Mops:

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Text: Katharina von der Leyen, Fotos: Enver Hirsch
Knesebeck Verlag, EUR 39,95
Der Mops: Ein Wunder der Natur – und dieses Buch ist mit Abstand die schönste Liebeserklärung an diesen reizenden Vierbeiner.“Die ZEIT

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Der Mops

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